Rz. 25

Die Entscheidung, ob der Rechtsschutzfall vor Wirksamwerden der Rechtsschutzversicherung eingetreten ist, also Vorvertraglichkeit vorliegt, erfordert im Einzelfall regelmäßig eine differenzierte Klärung des Sachverhaltes. In der Frage, wann genau der versicherte Rechtschutzfall eingetreten ist, hat der BGH die Rechte von Versicherungsnehmern gleich in mehreren Urteilen gestärkt.[11] Weitaus häufiger als bisher müssen Rechtsschutzversicherungen die Kosten für Rechtsstreitigkeiten übernehmen, die sie bislang verweigert haben. Der Problemfall tritt häufig bei Widerruf von Darlehensverträgen ein. Hat ein VN ein Darlehen etwa im Jahre 2005 aufgenommen, die Rechtsschutzversicherung jedoch erst 2008 abgeschlossen, argumentieren die Versicherer nicht selten mit dem Vorliegen eines vorvertraglichen Rechtsschutzfalles. Das heißt, dass ein VN, der erst im Jahr 2013 das Darlehen widerrufen möchte, deswegen keinen Kostenschutz erhält, weil seine Versicherung nicht bereits bei Abschluss des Kreditvertrages bestanden hat. Dieser Argumentationsmöglichkeit schob der BGH einen Riegel vor. In seiner Rechtsprechung stellte er fest, dass es für den Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Verstoß ankommt, den der VN seinem Vertragspartner vorwirft, und nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages. Diesen Grundsatz betonte der BGH nochmals in einem aktuellen Urteil vom 24.3.2013,[12] bei dem ein VN Deckungsschutz für Ansprüche gegen einen Lebensversicherer aus Widerruf einer vor Vertragsbeginn der Rechtsschutzversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung begehrte.

 

Rz. 26

Nach AG München[13] liegt Vorvertraglichkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer die Frist für die Anmeldung eines weiteren Fahrzeuges versäumt. In diesem Fall tritt Leistungsfreiheit nicht wegen Obliegenheitsverletzung, wohl aber wegen Vorvertraglichkeit ein. Anders wäre zu entscheiden, wenn die Anzeige eines Ersatzfahrzeuges versäumt würde. In diesem Falle könnte grundsätzlich Leistungsfreiheit wegen Verletzung einer Anzeigepflicht in Betracht kommen.

 

Rz. 27

Bei einem Mietrechtsstreit kommt es nicht darauf an, ob das beanstandete Verhalten der Mieter für sich allein adäquat kausal war. Es kommt vielmehr darauf an, ob mehrere Verstöße im Rechtssinne erst in ihrer Summe den Streit auslösen. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob solche Entwicklungen oder der Zusammenhang subjektiv vorhersehbar oder erkennbar waren.[14]

 

Rz. 28

Der Beginn des Versicherungsfalls liegt bei streitiger Wirksamkeit des Arbeitsvertrages in einem Rechtsstreit um Gehaltsforderungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dies gilt jedenfalls dann, "… wenn der spätere Streit bereits im Arbeitsvertrag im Keim angelegt und gewissermaßen vorprogrammiert war".[15] Diese Interpretation des Rechtsschutzfalles enthält keine für die Praxis geeignete Interpretation oder Definition des Rechtsschutzfalles oder der Vorvertraglichkeit. Dies kann eigentlich nur gelten, wenn streitig ist eine Regelung im zur Anwendung kommenden Arbeitsvertrag.

 

Rz. 29

Eine besondere Problematik kann sich ergeben in den Fällen, in denen ein bereits bestehendes Rechtsschutzverhältnis mit neuen Bedingungen fortgesetzt wird. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Rechtsschutzversicherung in erster Linie die aktuellen Bedingungen heranziehen wird, ausgehend von der Annahme, dass diese die Rechte und Pflichten der Beteiligten bestimmen und nur ergänzend die früheren Bedingungen heranzuziehen sind. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer der bei seinem Versicherer schon seit Jahren eine Rechtsschutzversicherung unterhält, bei einer Vertragsänderung mit neuen Bedingungen nicht annehmen wird, dass sein Versicherungsschutz zum Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung insgesamt einen neuen "Beginn" nimmt. Der durchschnittliche VN versteht unter "Beginn des Versicherungsschutzes" den Zeitpunkt, zu dem ihm vom in Anspruch genommenen Versicherer erstmals für ein bestimmtes Wagnis Deckungsschutz versprochen wurde.[16]

[12] BGH, Urt. v. 24.4.2013 – IV ZR 174/12, VersR 2013, 899.
[13] r+s 2000, 462; zur Vorvertraglichkeit bei Schadenersatzforderungen wegen Feuchtigkeitsschäden einer Mietsache vgl. OLG Düsseldorf zfs 2001, 36.
[14] LG München r+s 2001, 467.
[16] OLG Karlsruhe r+s 2009, 332.

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