Rz. 21

Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Vorgaben des BVerfG erblickte auch der Gesetzgeber dringenden Handlungsbedarf. Das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009[50] sah in diesem Bereich die größten Veränderungen vor. Eines der Hauptanliegen der Reform war es, die Testierfreiheit des Erblassers zu stärken und dementsprechend die Gründe zu überarbeiten, die ihn berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen.[51] Die "Enterbung sollte erleichtert werden".

 

Rz. 22

Die wichtigsten Änderungen der Vorschriften zur Pflichtteilsentziehung zum 1.1.2010 lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Angleichung der Pflichtteilsentziehungsgründe für sämtliche Pflichtteilsberechtigte. Die frühere Unterscheidung in den §§ 2333 bis 2335 BGB wurde beseitigt. Die §§ 2334 und 2335 BGB sowie § 2336 Abs. 4 BGB wurden daher aufgehoben. An ihre Stelle trat ein neuer § 2333 Abs. 2 BGB, der die Gründe des ebenfalls neuen Abs. 1 auf die Entziehung des Eltern- oder des Ehegattenpflichtteils seither für entsprechend anwendbar erklärt.
Maßvolle Erweiterung des Kreises der vom Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten betroffenen Personen. Dadurch sollten die Pflichtteilsentziehungsgründe an die gewandelten familiären Strukturen angepasst werden.[52] Daher werden seither etwa auch Lebenspartner, Stief- oder Pflegekinder erfasst.
Der Katalog der Pflichtteilsentziehungsgründe wurde erheblich überarbeitet.
Darüber hinaus wurden die Anforderungen, die an die Entziehungsverfügung gestellt wurden, verschärft. Denn in § 2336 Abs. 2 BGB (a.F.) wurde ein weiterer Satz angefügt. Danach muss bei einer Pflichtteilsentziehung, die auf den Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB gestützt wird, die diesbezügliche Tat zur Zeit der Errichtung der Verfügung von Todes wegen bereits begangen worden sein und der Grund für die Unzumutbarkeit vorliegen; beides muss in der Verfügung angegeben werden (§ 2336 Abs. 2. S. 2 BGB).
Der ehemalige § 2336 Abs. 4 BGB (a.F.) wurde aufgehoben. Diese Vorschrift bezog sich allein auf den vormaligen Pflichtteilsentziehungsgrund des ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels von Abkömmlingen, der durch die Erbrechtsreform beseitigt wurde.
 

Rz. 23

Nach Auffassung des Reformgesetzgebers waren die früheren Pflichtteilsentziehungsgründe nicht mehr zeitgemäß und auch mit den heutigen Wertvorstellungen nicht mehr vereinbar. Durch ihre Überarbeitung sollten sie an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Daher sollte eine Pflichtteilsentziehung jetzt möglich sein bei

einem schweren Fehlverhalten gegenüber dem Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person oder
einem allgemeinen schweren sozialwidrigen Fehlverhalten;[53] jedoch ist dies nach der Gesetz gewordenen Entziehung nur nach Nr. 4 des § 2333 Abs. 1 BGB bei Vorliegen einer entsprechenden Straftat möglich.
 

Rz. 24

Die Änderung der Pflichtteilsentziehungsgründe wurde unter dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung und Modernisierung überwiegend begrüßt.[54] Jedoch hat sich gezeigt, dass die durch die Gesetzesänderung eingeführten Modifikationen zu keiner wesentlichen Bedeutungssteigerung geführt haben.[55]

[50] BGBl I, S. 3142.
[51] Pressemitteilung der Bundesministerin der Justiz vom 30.1.2008.
[52] Kroiß, FPR 2008, 543, 544; Th. Meyer, FPR 2008, 537, 538.
[53] Begründung, BT-Drucks 16/8954, S. 22.
[54] Herzog, ErbR 2008, 206, 208; Bonefeld/Lange/Tanck, ZErb 2007, 292, 297; Keim, ZEV 2008, 161, 168; kritisch aber etwa Muscheler, ZEV 2008, 105, 106.
[55] Dahingehend bereits: Arnhold, Hereditare 1, (2011), 37, 50; Leipold, JZ 2010, 802, 806.

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