a) Einseitiges Testament und Eheauflösung
aa) Rechtskräftige Scheidung
Rz. 497
Mit Rechtskraft der Scheidung wird eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB, es sei denn, dass anzunehmen ist, der Erblasser hat die Verfügung auch für diesen Fall getroffen, § 2077 Abs. 3 BGB. § 2077 BGB erweitert damit die Fälle der Unwirksamkeit eines Testaments – mit Geltung auch für das gemeinschaftliche Testament gem. § 2268 BGB – und ergänzt damit die allgemeinen Regeln über die Nichtigkeit von Verfügungen von Todes wegen (wegen Formverstoßes: § 125 BGB, wegen Gesetzesverstoßes: § 134 BGB, wegen Sittenwidrigkeit: § 138 BGB). Das Gleiche gilt für ein gemeinschaftliches Testament unter eingetragenen Lebenspartnern bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft, § 10 Abs. 5 LPartG.
Entgegen dem Wortlaut von § 2077 Abs. 1 S. 1 und § 2077 Abs. 2 BGB ("ist unwirksam") handelt es sich nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum um eine dispositive Auslegungsregel und nicht um eine gesetzliche Vermutung; dies ergibt sich klar aus § 2077 Abs. 3 BGB. Für die Kautelarpraxis wird empfohlen, bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen zugunsten des Ehegatten ausdrücklich zu bestimmen, dass die Verfügungen den Bestand der Ehe bis zum Tod des erstversterbenden Ehegatten voraussetzen – oder eben auch im Falle des Scheiterns der Ehe gelten sollen.
bb) Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunkts auf Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags
Rz. 498
Nach § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Zeitpunkt der Rechtskraft über die eheauflösende Entscheidung vorgezogen: Der Eheauflösung steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorgelegen haben und der Erblasser die Scheidung entweder beantragt oder ihr gegenüber dem Familiengericht zugestimmt hatte.
§ 2077 BGB ist damit in Bezug auf die Erbeinsetzung des Ehegatten durch einseitiges Testament die entsprechende Regelung zu § 1933 BGB für das gesetzliche Ehegattenerbrecht.
Art. 6 Abs. 1 GG wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die vorzeitige Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehegatten in § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB voraussetzt, dass die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen und beide Ehegatten zu erkennen gegeben haben, dass sie ihre Ehe als gescheitert ansehen und deshalb nicht mehr an ihr festhalten wollen.
Hat der Erblasser seinen Verlobten eingesetzt und ist das Verlöbnis vor seinem Tod gelöst worden, so ist die betreffende Verfügung von Todes wegen unwirksam (§ 2077 Abs. 2 BGB).
Bei Zuwendungen an das Schwiegerkind ist § 2077 BGB nicht entsprechend anzuwenden, es sei denn, die Schwiegereltern wollten, dass das Schwiegerkind nur dann Erbe wird, wenn die familienrechtliche Bindung fortbesteht. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht das Näheverhältnis zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern nicht aus, die Wirksamkeit der Zuwendung an Schwiegerkinder allein wegen der gescheiterten Ehe in Frage zu stellen. Aber als Ausweg bleibt die Möglichkeit einer Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB (Irrtum über den Nichteintritt eines künftigen Umstandes – die Scheidung des eigenen Kindes vom Schwiegerkind).
Auf die nichteheliche – heterosexuelle – Lebensgemeinschaft kann diese Rechtsprechung nicht übertragen werden.
Hinweis
Ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ist das gesetzliche, das testamentarische und erbvertragliche Ehegattenerbrecht ausgeschlossen.
Rz. 499
Die formalen Voraussetzungen der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags sind dieselben wie oben unter Rdn 492 ff. dargestellt.
Das BGB regelt durchgängig den Wegfall des Ehegattenerbrechts ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Scheidung vorgelegen haben, und zwar für das gesetzliche Erbrecht in § 1933 BGB, für das Erbrecht im einseitigen Testament in § 2077 BGB, für das gemeinschaftliche Testament in § 2268 BGB und für den Ehegattenerbvertrag in § 2279 BGB.
Hinweis
Folge des Wegfalls des gewillkürten Ehegatten-Erbrechts:
Kein gesetzliches Ehegatten-Erbrecht, dieses ist gem. § 1933 BGB ausgeschlossen.
Kein Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten. Ein Pflichtteilsrecht setzt bestehendes gesetzliches Erbrecht voraus.