Rz. 60
Im Erbscheinsverfahren, wie auch in den übrigen nachlassgerichtlichen Verfahren, z.B. bei Ausschlagung der Erbschaft, der Eröffnung letztwilliger Verfügungen, der notariellen Nachlassauseinandersetzung nach §§ 363 ff. FamFG etc., erhält der Anwalt dieselben Gebühren wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Die Verfahrensgebühr entsteht grundsätzlich in Höhe von 1,3 nach VV 3100 RVG. Soweit in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich ein Antrag gestellt oder eine Entscheidung entgegengenommen wird, beträgt die Gebühr nach VV 3101 RVG lediglich 0,8. Demnach würde für die bloße Beantragung eines Erbscheins die reduzierte Verfahrensgebühr anfallen. Ist mit dem Erbscheinsantrag aber, was regelmäßig der Fall sein dürfte, ein Sachvortrag verbunden, findet VV 3100 RVG Anwendung, d.h. die Verfahrensgebühr beträgt dann gleichwohl 1,3. Neben der Verfahrensgebühr kann auch im Nachlassverfahren eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 nach VV 3104 RVG entstehen, wenn z.B. eine Beweisaufnahme stattfindet oder die Angelegenheit mit den Beteiligten in mündlicher Verhandlung erörtert wird. Für das Beschwerdeverfahren in Nachlasssachen beträgt die Verfahrensgebühr 1,6 und die Terminsgebühr 1,2, VV Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 lit. b RVG.
Eine Vergütungsfestsetzung ist auch in den Nachlassverfahren nach § 11 RVG möglich.
Rz. 61
Der Gegenstandswert richtet sich in gerichtlichen Verfahren und bei vorangehender Tätigkeit nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, § 23 RVG, § 40 GNotKG.
Rz. 62
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen Nachlasssachen gehören, ist der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist, wenn besondere Umstände nicht vorliegen, die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die im GNotKG enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkte herangezogen werden. Als solcher dient insbesondere der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, KV 12210 GNotKG.
Rz. 63
Das Gericht setzt den Geschäftswert durch Beschluss gebührenfrei fest, wenn ein Zahlungspflichtiger oder die Staatskasse dies beantragt, § 79 Abs. 1 GNotKG. Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde nach Maßgabe der §§ 81, 83 GNotKG statt. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, § 83 GNotKG.
Der Rechtsanwalt hat die gerichtliche Wertfestsetzung seinen Gebühren zugrunde zu legen, § 32 RVG. Er kann aus eigenem Recht die Wertfestsetzung beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen, § 32 Abs. 2 RVG. Der Anwalt kann den gegen seinen Auftraggeber bestehenden Vergütungsanspruch auch gerichtlich festsetzen lassen, § 11 RVG. Zuständig hierfür ist der Rechtspfleger, § 21 Nr. 2 RPflG.
Rz. 64
Muster 8.21: Beschwerde gegen Festsetzung des Geschäftswerts bei Aufnahme eines Nacherbenvermerks
Muster 8.21: Beschwerde gegen Festsetzung des Geschäftswerts bei Aufnahme eines Nacherbenvermerks
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________, Az. _________________________,
lege ich hiermit namens und im Auftrag meines Mandanten _________________________ gegen den Beschluss des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________
Beschwerde
ein. Es wird beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________ aufzuheben und den Geschäftswert auf _________________________ EUR festzusetzen.
Begründung:
_________________________ (Einleitung). Der Wert des Reinnachlasses kann aber nicht mit dem Geschäftswert gleichgesetzt werden. Davon geht nunmehr auch das Landgericht aus. Gegenstand des Verfahrens ist nicht der Reinnachlass, sondern das vom Beteiligten zu 2 beanspruchte Nacherbrecht an diesem, mithin die Aufnahme eines entsprechenden Nacherbenvermerks in dem der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein (vgl. § 352b Abs. 1 FamFG). Für die Bewertung des Interesses eines am Erbscheinsverfahren Beteiligten an der Aufnahme oder Beseitigung eines Nacherbenvermerks enthält das GNotKG keine Vorschriften. Maßgeblich für das Interesse eines präsumtiven Nacherben an der Aufnahme eines Nacherbenvermerks ist der Umstand, dass der Vorerbe an der freien Verfügbarkeit über den ihm zufallenden Nachlass gehindert werden soll. Dieses Interesse bewertet die Rechtsprechung in der Regel mit einem Bruchteil des Reinnachlasses (vgl. BayObLG Rpfleger 1983, 12). Im Hinblick auf das hohe Alter der Beteiligten zu 1 müsste im Fall ihrer bloßen Vorerbschaft davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 2 alsbald in den Genuss der Erbschaft käme und deren Wert daher nicht wesentlich geringer wäre als im Todeszeitpunkt der Erblasserin. Ein Abschlag von 40 % ist dabei angemessen. Der Geschäftswert des Verfahrens ist daher au...