Rz. 66
Unrichtige Erbscheine "hat" das Nachlassgericht von Amts wegen einzuziehen. Das Gericht ist dabei nach § 26 FamFG verpflichtet, Ermittlungen über die Richtigkeit eines Erbscheins anzustrengen, soweit Anhaltspunkte für einen Einziehungsgrund gegeben sind.
I. Voraussetzungen der Einziehung
1. Zuständigkeit
Rz. 67
Zuständig für die Einziehung eines Erbscheins ist das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt hat. Dies gilt sowohl für die örtliche, die internationale als auch die funktionelle Zuständigkeit. Insoweit ist der Richter, der einen Erbschein erteilt hat, auch für das Einziehungsverfahren zur Entscheidung berufen, § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG. Hat ein örtlich unzuständiges Gericht einen Erbschein erteilt, so ist es für das Einziehungsverfahren gleichwohl zuständig. Würde die Einziehung beim tatsächlich zuständigen Gericht "beantragt" (angeregt) werden, so wäre dieses verpflichtet, den Vorgang an das Gericht, das den Erbschein erteilt hat, weiterzuleiten. Eine diesbezügliche Verweisung nach § 3 FamFG ist gegebenenfalls anzuregen.
Rz. 68
Muster 8.22: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht
Muster 8.22: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Einziehung des Erbscheins
Nachdem der Erbschein vom örtlich unzuständigen Amtsgericht _________________________ erteilt worden ist, rege ich an, das Einziehungsverfahren gemäß § 3 FamFG an das gemäß § 2361 BGB zuständige Nachlassgericht _________________________ zu verweisen.
(Rechtsanwalt)
2. Voraussetzungen im Einzelnen
Rz. 69
Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein Erbschein eingezogen werden kann:
▪ |
der Erbschein muss bereits erteilt (ausgehändigt) sein |
▪ |
Unrichtigkeit des Erbscheins. |
a) Formelle Fehlerhaftigkeit
Rz. 70
Bei schweren Verfahrensfehlern, insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen, ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen (h.M., die über den Wortlaut des § 2361 BGB hinausgeht).
Rz. 71
Beispiele aus der Rechtsprechung:
▪ |
Erteilung abweichend vom Antrag oder ohne Antrag |
▪ |
Antragstellung durch einen nicht antragsberechtigten Beteiligten (jedoch kann dieser Verstoß geheilt werden, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung des Erbscheins nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt) |
▪ |
Zuständigkeitsverstöße: Bei Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit sind auch sachlich richtige Erbscheine einzuziehen. Sonst bestünde die Gefahr widersprechender Erbscheine, da auch beim örtlich zuständigen Gericht ein Erbschein erteilt werden könnte. |
Rz. 72
Eine Einziehungsanregung bei formeller Unrichtigkeit könnte wie folgt lauten:
Muster 8.23: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
Muster 8.23: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Einziehung des Erbscheins
In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________ in _________________________, beantrage ich namens und im Auftrag meines Mandanten _________________________, den vom Amtsgericht _________________________ am _________________________ der Witwe des Erblassers, _________________________, erteilten Erbschein einzuziehen.
Unabhängig davon, ob der Erbschein materiellrechtlich in Ordnung ist, hätte er so nicht erteilt werden dürfen, weil ein entsprechender Antrag der _________________________ gar nicht vorlag. Diese begehrte einen Erbschein, der sie als gesetzliche Erbin zu ½ ausweisen sollte. Das Nachlassgericht erteilte ihr, ohne dass der Antrag geändert wurde, einen Erbschein, der sie als Alleinerbin kraft letztwilliger Verfügung ausweist. Bereits insoweit ist der unrichtige Erbschein gemäß § 2361 BGB einzuziehen.
Darüber hinaus entspricht der Inhalt des Erbscheins auch nicht der materiellen Rechtslage, weil _________________________ (ggf. weiter ausführen).
(Rechtsanwalt)
b) Materielle Unrichtigkeit
Rz. 73
Der Erbschein ist einzuziehen, wenn er sachlich unrichtig ist, § 2361 S. 1 BGB. In der Praxis kann sich die materielle Unrichtigkeit vor allem ergeben, wenn ein Testament vom Gericht falsch ausgelegt, nachträglich ein jüngeres widersprechendes Testament gefunden oder eine wirksame Anfechtung erklärt wurde.
Beispiele
Falscher Erbe oder Erbteil, fehlende Beschränkung, falscher Berufungsgrund (wenn dann eine falsche Quote angenommen wird).
Ein Erbschein ist auch dann unrichtig, wenn in ihm eine angeordnete Nacherbfolge nicht angegeben ist.
Bei Anordnung einer bedingten Nacherbschaft, z.B. bei Wiederverheiratungsklauseln, kann ein ursprünglich korrekter Erbschein durch Eintritt der Bedingung unrichtig werden.
Rz. 74
Muster 8.24: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins wegen materie...