Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 101
Nach § 5 Abs. 1 ErbStG bleibt bei Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) gelebt haben, bei Beendigung des Güterstandes durch Tod ein Betrag in Höhe des fiktiv bestehenden Zugewinnausgleichsanspruchs steuerfrei, nämlich in Höhe des Betrags, der als Zugewinnausgleich geltend gemacht werden könnte, wenn der Zugewinnausgleichsanspruch ausgelöst und geltend gemacht worden wäre. Die Regelung des § 5 ErbStG wirkt wie ein Freibetrag und führt zu einer erheblichen Steuerentlastung, wenn der zuerst verstorbene Ehegatte einen hohen Zugewinn erzielt hatte und der überlebende Ehegatte (Mit-)Erbe wird.
Beispiel:
Die Eheleute E und F leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Beide hatten kein Anfangsvermögen. Als E überraschend stirbt, hat E ein Endvermögen von 10 Mio. EUR, F hat nichts. F ist als Alleinerbin eingesetzt. Die Hälfte des Erwerbs in Höhe von 5 Mio. EUR bleibt als fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch erbschaftsteuerfrei. Erbschaftsteuerpflichtig ist nach Abzug der allgemeinen und besonderen Freibeträge nur der von den anderen 5 Mio. EUR verbleibende Betrag.
Rz. 102
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Regelung, die auf das nationale deutsche Güterrecht abstellt, ist bei Erbfällen mit Auslandsbezug zu untersuchen, ob die Entlastung auch in Anspruch genommen werden kann, wenn ein ausländisches Erb- oder Ehegüterstatut zur Anwendung kommt. Aus dem Umstand, dass im Gesetzeswortlaut des § 5 ErbStG auf die nationalen Regeln des deutschen BGB Bezug genommen wird, kann sich ebenso wenig wie bei der Frage der Steuerpflicht nach § 3 ErbStG eine Einschränkung ergeben. Unterliegen alle Erwerbe von Todes wegen, also auch die nach ausländischem Erbrecht zu beurteilenden, der inländischen Erbschaftsteuer, muss auch die Begünstigungsvorschrift dem Grunde nach zur Anwendung kommen.
Rz. 103
Eine Begünstigung nach § 5 ErbStG besteht auch bei vergleichbaren Güterständen in anderen Rechtsordnungen. Vom BFH wurde bereits im Jahr 1975 entschieden, dass der nach DDR-Recht geltende Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft in der Bundesrepublik gleichgestellt sei und daher die im ErbStG 1959 dem aktuellen § 5 Abs. 1 ErbStG vergleichbare Vorschrift anwendbar sei.
Rz. 104
Die Befreiungsvorschrift des § 5 ErbStG kommt daher nach Ansicht des BFH im Ergebnis immer dann zur Anwendung, wenn der einschlägige Güterstand ausländischen Rechts der deutschen Zugewinngemeinschaft vergleichbare Elemente aufweist, wie z.B. die Trennung der Ehegattenvermögen während der Ehe und der Ausgleich bei Beendigung. Nach von Oertzen soll sich ein vergleichbarer Güterstand beispielsweise auch im österreichischen Recht finden. Dieser Hinweis ist aber ungenau, da das österreichische Recht den Vermögensausgleich ausschließlich im Fall der Scheidung der Ehe vorsieht, im Fall des Todes aber nicht durchgeführt wird, so dass die Befreiung nach § 5 ErbStG nicht zur Anwendung kommen kann. Soweit das ausländische Recht keinen Güterstand mit dem der Zugewinngemeinschaft vergleichbaren Elementen kennt, könnte im Einzelfall über eine Rechtswahl für das Ehegüterstatut nachgedacht werden.
Rz. 105
Der steuerfreie Zugewinnausgleichsbetrag ist als Geldanspruch nach den Verkehrswerten zu ermitteln. Der so ermittelte Anspruch ist allerdings (bei abweichenden Steuerwerten) wohl im Verhältnis des Steuerwerts zum Verkehrswert des Nachlassvermögens zu kürzen. Hierbei stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn dem Zugewinnausgleich Vermögensgegenstände unterliegen, die in Deutschland (z.B. wegen eines DBA) steuerfrei bleiben. Bei der Ermittlung des Kürzungsbetrags nach § 5 ErbStG hat der BFH Gegenstände des Endvermögens, die von der Erbschaftsteuer befreit waren, in die Berechnung einbezogen; im Entscheidungsfall blieb ein Grundstück in Österreich aufgrund des (allerdings zwischenzeitlich gekündigten) Erbschaftsteuer-DBA in Deutschland steuerfrei. Seit 28.12.2020 ist allerdings § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG zu beachten.
Rz. 106
Bei beschränkt steuerpflichtigen Erwerben ist die Ausgleichsforderung wie im Regelfall zu ermitteln. Umstritten ist, ob der ermittelte Wert dann im Verhältnis des Wertes des Gesamtnachlasses zu dem im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht steuerpflichtigen Vermögen zu kürzen ist.