Rz. 86
Art. 31 Buchst. a) CISG regelt den "Versendungskauf". Dieser ist in der Praxis vorherrschend. Um einen solchen handelt es sich, wenn nach dem Kaufvertrag zwar eine Beförderung der Ware erforderlich ist, diese selbst jedoch nicht mehr zu den Pflichten des Verkäufers zählt. Weil das UN-Kaufrecht typischerweise grenzüberschreitende Geschäfte erfasst, wird im Zweifel eine Beförderung der Ware erforderlich sein. Ein Versendungskauf liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Parteien einen bestimmten Lieferort vereinbart haben, an dem der Verkäufer die Ware auszuliefern und der Käufer die Ware zu übernehmen hat (z.B. "ab Werk" oder "frei Haus"). Fallen jedoch der Lieferort und der Ort, an dem der Käufer die Ware zu übernehmen hat, auseinander, wurden keine besonderen Absprachen zwischen den Parteien zum Lieferort getroffen und ergibt sich ein solcher auch nicht aus den sonstigen Umständen des Geschäfts, so wird im Zweifel von einem Versendungskauf i.S.d. Art. 31 Buchst. a) CISG auszugehen sein. Die bloße Angabe einer Lieferadresse stellt keine Abänderung des Lieferortes nach Art. 31a) CISG dar.
Rz. 87
In den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt allerdings nicht der Transport durch den Verkäufer selbst bzw. durch eigene Leute.
Rz. 88
Beim Versendungskauf hat der Verkäufer nach Art. 32 Abs. 2 CISG die üblichen zur Beförderung erforderlichen Verträge abzuschließen. Nicht zu seinen Lasten gehen allerdings die Kosten der Beförderung. Mit Übergabe der Waren an den ersten Beförderer hat der Verkäufer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Unter dem "Beförderer" wird allgemein ein selbstständig handelnder Transportunternehmer (bspw. der Frachtführer, die Eisenbahn, Post- und Paketdienste) verstanden, auch wenn dieser öffentlich-rechtlich organisiert ist. Hinzuzuziehen ist auch ein Spediteur, obwohl dieser an sich nur verpflichtet ist, den Transport durchführen zu lassen.
Rz. 89
Die Pflicht des Verkäufers besteht in den Fällen des Art. 31 Buchst. a) CISG in der Übergabe der Ware. Der Beförderer muss danach die Ware tatsächlich übernehmen. Das bloße Bereitstellen der Ware wie in Buchst. b) und c) (dazu unten Rdn 91 f.) genügt für die Erfüllung der Lieferpflicht nicht. Ferner muss dem Beförderer die Ware "zur Übermittlung an den Käufer" übergeben worden sein. Daran fehlt es bspw., wenn die Ware zunächst nur eingelagert wird und nicht alsbald eine Übermittlung an den Käufer erfolgen soll. Von einer Übermittlung an den Käufer kann man auch dann nicht sprechen, wenn der Transport ausschließlich dazu dient, den Verkäufer in den Besitz der Ware zu setzen. Die Erfüllung der Verkäuferpflicht für die Übergabe an dem Beförderer hat zur Folge, dass Untergang oder Beschädigung der Ware auf dem Transport nicht mehr zulasten des Verkäufers gehen. Das Beförderungsrisiko geht also mit Übergabe an den ersten Beförderer auf den Käufer über. Allerdings gilt dies nur unter dem sich aus Art. 66 CISG ergebenden Vorbehalt, dass Untergang oder Beschädigung nicht auf einer Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zurückzuführen sind. Das kann bspw. der Fall sein, wenn die Ware nicht ordnungsgemäß verpackt ist oder der Verkäufer den Beförderer nicht sachgemäß angewiesen hat. In diesen Fällen hat der Verkäufer nicht vertragsgemäß geliefert.
Rz. 90
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass beim Versendungskauf der Verkäufer gem. Art. 32 Abs. 1 CISG dem Käufer die Versendung anzuzeigen hat, wenn die bspw. die in Sammelladung aufgegebene Ware andernfalls nicht eindeutig dem mit dem Käufer abgeschlossenen Vertrag zuzuordnen ist. Die Versendungsanzeige, die nicht als eigenständiges Formular ausgefertigt werden muss, hat also darüber Aufschluss zu geben, welche Ware letztlich für den Käufer bestimmt ist.