Rz. 433

Viele RA haben sich auf arbeitsrechtliche Mandate spezialisiert. Aber auch der RA, der eine breit gefächerte Interessenvertretung durchführt, ist mit dem arbeitsrechtlichen Mandat i.d.R. vertraut. Die Abwehr einer Kündigung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage gehört hierbei zum Alltag. Diese ist an die kurze dreiwöchige Ausschlussfrist gebunden. Wird der RA vor Erhebung der Klage auftragsgemäß vor- bzw. außergerichtlich tätig, gibt es häufig Auseinandersetzungen mit RSV, ob die Geschäftsgebühr, die für die vor- bzw. außergerichtliche Tätigkeit entstanden ist, gefordert werden kann. Viele Versicherer erheben hier den Einwand, dass der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung begeht, wenn er nicht gleich einen unbedingten Klageauftrag erteilt. Für den Fall eines unbedingten Klageauftrages kann keine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG entstehen.

Das AG Rosenheim (Urt. v. 27.6.2013 – 18 C 105/12 – AGS 2014, 155; JurBüro 2014, 88) hat hierzu entschieden, dass die außergerichtliche Tätigkeit eines RA im Kündigungsschutzprozess dem Leistungsumfang der RSV unterfällt.

Hervorzuheben ist, dass nach zutreffender Auffassung des AG Rosenheim auch im Hinblick auf die kurze Kündigungsschutzklagefrist von drei Wochen in einer außergerichtlichen Tätigkeit des RA nicht von vornherein der Erfolg zu versagen ist und sofort Klage zu erheben ist.

 

Rz. 434

Nicht immer erhält der RA von dem Auftraggeber – trotz der kurzen Ausschlussfrist (drei Wochen ab Zugang der Kündigung) – zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht gleich einen Prozessauftrag. Immer wieder wünscht aber der Auftraggeber, dass der RA sich zunächst vor- bzw. außergerichtlich mit seinem Arbeitgeber in Verbindung setzt, mit dem Bemühen, eine vergleichsweise Einigung zu erzielen und die Angelegenheit ohne gerichtliches Verfahren zu bereinigen.

 

Rz. 435

Ist dem RA ein solcher Auftrag erteilt, entsteht für seine vor- bzw. außergerichtliche Tätigkeit die Geschäftsgebühr. Nimmt er zum Zwecke der Vergleichsverhandlungen telefonisch Kontakt zur Gegenseite auf, entsteht zunächst keine Terminsgebühr. Erteilt ihm der Auftraggeber nun nach Scheitern der vorgerichtlichen Bemühungen einen Klageauftrag und einigen sich die Parteien dann doch noch vor Einreichung der Klage (z.B. weil der Arbeitgeber auf das Vergleichsangebot zurückkommt, mittlerweile aber der Klageauftrag erteilt ist), dann ist die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG entstanden. Werden jetzt noch einmal (ggf. auf Wunsch des Auftraggebers) telefonische oder persönliche Vergleichsgespräche geführt, die in einem Vergleich enden, ist zusätzlich die Terminsgebühr entstanden.

 

Rz. 436

Die gebührenrechtliche Lage:

1,6 Geschäftsgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13, 14 Nr. 2300 VV RVG

(Abweichende Bestimmung des Gebührensatzrahmens gem. § 14 RVG)

0,05 Restverfahrensgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13 Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG

(Anrechnung der Geschäftsgebühr i.H.v. 0,75 gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG)

1,2 Terminsgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13 Nr. 3104 VV RVG

1,5 Einigungsgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 13 Nr. 1000 VV RVG

 

Rz. 437

Die Rechtsschutzversicherung des Auftraggebers zahlt i.d.R. nicht die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, weil diese die Kosten hierfür für nicht notwendig ansieht (sog. Obliegenheitsverletzung – die Kosten sollen möglichst gering gehalten werden, in der Form, dass gleich ein Klageauftrag erteilt wird). Die Versicherung wendet ein, dass der Auftraggeber von Anfang an einen unbedingten Klageauftrag hätte erteilen können, sodass das Verfahren deutlich günstiger gewesen wäre. Dies ist unzutreffend. Dem kann die Auffassung des AG Rosenheim (s. Rdn 433) entgegenhalten werden.

 

Rz. 438

Erteilt der Auftraggeber dem RA dem gegenüber sofort einen unbedingten Klageauftrag, so entsteht für den Fall von telefonischen Besprechungen mit Einigungsbemühungen die Terminsgebühr. Diese entsteht im Fall einer Geschäftsgebühr aber nicht.

Das gebührenrechtliche Ergebnis ist sogar höher, wenn sich der RA gleich einen unbedingten Klageauftrag erteilen lässt und seine Vergleichsbemühungen erfolgreich sind.

 

Rz. 439

Sinnvollerweise sollten Sie aber Ihren Auftraggeber gleich bei Auftragserteilung darauf hinweisen, dass es für den Fall einer Einigung ohne Einschaltung der Gerichte, sehr wahrscheinlich ist, dass es zu Auseinandersetzungen mit seiner Rechtsschutzversicherung über Teile der Anwaltsvergütung kommen wird. Dem Auftraggeber steht es selbstverständlich frei, jeden Auftrag so zu erteilen, wie er eine rechtliche Vertretung erwünscht. Es kann aber durchaus sein, dass dann Teile der Anwaltsvergütung von ihm selbst zu tragen sind. Sinnvoll ist es hier, wenn der RA bereits im Beratungsgespräch auf die zu erwartende Problematik hinweist.

 

Rz. 440

Muster 8.38: Belehrung Auftraggeber/Verfahrensgebühr oder Geschäftsgebühr (unbedingter Klageauftrag)

 

Muster 8.38: Belehrung Auftraggeber/Verfahrensgebühr oder Geschäftsgebühr (unbedingter Klageauftrag)

Anrede,

wir werden in Ihrer Angelegenheit bemüht sein, die von Ihnen ...

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