Rz. 104

Die üblicherweise zum Nachweis des Auftrags herangezogene Vollmacht ist nicht geeignet, den erteilten Auftrag nachzuweisen. Die Vollmacht wird benötigt, um im Rechtsverkehr kenntlich zu machen, dass der RA den Auftraggeber auch tatsächlich vertritt. Der Gegner kann dies nicht wissen. Fügt der RA daher seinem Erstschreiben (einer Kündigung, einer Mahnung, einer Handlungsaufforderung, einer Unterlassensforderung u.v.a.m.) keine Vollmacht bei, kann der Gegner den Inhalt des Schreibens unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Verzögern – also umgehend) wegen des mangelnden Nachweises der Bevollmächtigung zurückweisen (§ 174 BGB). Vom Zwang, einem Schreiben (also einer Willenserklärung) eine Vollmacht beizufügen, hat die Rechtsprechung einige Ausnahmen geschaffen (so z.B. im Wettbewerbsrecht). Aber auch hier gilt, weniger ist eben nicht im Zweifel mehr. Es schadet nichts, eine Vollmacht beizufügen, es kann nur schaden, wenn keine Vollmacht beigefügt ist. Wer kann schon mit Sicherheit ausschließen, dass die Rechtsprechung, die bis gestern noch ein Vorgehen ohne Vollmacht als zulässig erachtet hat, sich morgen ändert? Je länger man in unserem Beruf tätig ist, umso häufiger erlebt man gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung manch unangenehme Überraschung. Oft kann man auch bei den höchsten Gerichten das Motto beobachten "Was schert mich mein Geschwätz von gestern?". Wo es vermeidbar ist, sich hier unnötig in Gefahr zu bringen, sollte man es ausschließen. Für jedes Erstschreiben gilt daher: Wann immer möglich, eine Vollmacht im Original unterschrieben vom Auftraggeber beifügen.

 

Rz. 105

In den Fällen, in denen dies nicht möglich sein sollte, verbleibt immer das Risiko, dass die mit dem Schreiben bezweckte Wirkung aufgrund der fehlenden Vollmacht nicht eintreten kann. Gerade in diesen Fällen ist das Haftungsrisiko des RA zu berücksichtigen. Wenn Sie ohne Vollmacht tätig werden müssen, weil es aus organisatorischen Gründen innerhalb der gegebenen Zeit nicht möglich war, dann sollten Sie sich von der Haftung freistellen lassen.

 

Rz. 106

Nachstehend das Muster einer bereits von den üblichen Vordrucken stark abweichenden Vollmacht. Die Vollmacht berücksichtigt eine vorwiegend zivilrechtliche Vertretung und nennt keines der Rechtsgebiete, bei denen im ausgewählten Fall eindeutig war, dass keine Vertretung erfolgen wird (Strafsache, Familiensache u.a. in üblichen Vordrucken enthalten). Für jeden Verfahrensbereich (Strafrecht/Ordnungswidrigkeiten, Familienrecht, Arbeitsrecht u.a.) kann eine wesentlich sinnvollere Vollmacht gestaltet werden, als es die üblichen Vordrucke sind.

Muster 8.15: Vollmacht

 

Muster 8.15: Vollmacht

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die Bevollmächtigten erbeten!

Vollmacht

wird hiermit in Sachen _________________________

wegen _________________________

Vollmacht erteilt.

Die Vollmacht wird erteilt zur Prozessführung (u.a. nach §§ 81 ff. ZPO), einschließlich der Befugnis zum Führen von Vergleichsgesprächen (vor und nach Anhängigkeit/Rechtshängigkeit), zur Erhebung und Zurücknahme von Widerklagen sowie der Befugnis zur Abgabe von Aufrechnungserklärungen, zur Vertretung in sonstigen Verfahren und außer- bzw. vorgerichtlichen Verhandlungen aller Art, zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen, Anfechtungen) in Zusammenhang mit der oben unter "wegen …" genannten Angelegenheit, zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines jeden infrage kommenden Rechtsmittels.

Die Vollmacht gilt für die außer- bzw. vorgerichtliche Tätigkeit. Die Vollmacht gilt für das gerichtliche Verfahren für alle infrage kommenden gerichtlichen Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art (z.B. Arrest und einstweilige Verfügung, Kostenfestsetzungs- und sich daran anschließende Nebenverfahren, Zwangsvollstreckungsverfahren, Interventionsverfahren, Drittschuldnerklagen, Zwangsversteigerungs-, Zwangsverwaltungs- und Hinterlegungsverfahren sowie Insolvenzverfahren). Die Vollmacht umfasst die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen, die Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen (Untervollmacht, Terminsvertretung). Die Vollmacht umfasst die Befugnis, Akteneinsicht zu nehmen sowie Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten, den Rechtsstreit oder außer- bzw. vorgerichtliche Verhandlungen durch Vergleich, Verzicht, Anerkenntnis oder Erledigungserklärung zu beenden. Die Vollmacht gibt die Inkassobefugnis. Sie erstreckt sich damit auf die Befugnis, Geld, Wertsachen und Urkunden, insbesondere auch den Streitgegenstand nebst Nebenleistungen sowie die vom Gegner, der Justizkasse oder einem sonstigen Dritten zu erstattenden Beträge (Kosten, Gerichtskosten und Sonstiges) entgegenzunehmen und an den Auftraggeber abzuliefern.

_________________________

(Ort, Datum, Unterschrift)

 

Rz. 107

Das Textbeispiel im Hinblick auf die Auftragsbestätigung eignet sich insbes. für allgemeine zivilre...

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