Rz. 154
Gem. § 28 Abs. 1, 2 und 4 WEG ist der für den Wirtschaftsplan und die Abrechnung maßgebliche Zeitraum "das Kalenderjahr" (= Zeitraum 1.1. – 31.12.). Wenn nicht die Gemeinschaftsordnung eine abweichende Wirtschaftsperiode vorgibt oder ermöglicht (was nur selten der Fall ist), ist diese Regelung zwingend. Trotzdem legen viele Verwalter ihrem Rechnungswesen abweichende Wirtschaftszeiträume zugrunde, z.B. den Zeitraum vom 1.5. bis 30.4. Grund dafür ist meistens der (nachvollziehbare) Wunsch der Verwalter, die jährlichen Versammlungen nicht für alle von ihnen verwalteten Gemeinschaften im ersten Kalenderhalbjahr abhalten zu müssen, sondern über das Jahr verteilen zu können. Aber der Beschluss von Vorschüssen bzw. deren Anpassung auf Basis einer Jahresabrechnung oder eines Wirtschaftsplans, die nicht das (ganze) Kalenderjahr umfassen, dürfte auch nach neuem Recht anfechtbar sein. Es hilft auch nichts, wenn die Abweichung vom Kalenderjahr einmal durch einen "Grundsatzbeschluss" eingeführt wurde; ein solcher Beschluss ist nichtig, weil zur Änderung des Gesetzes (Wirtschaftszeitraum = Kalenderjahr) keine Beschlusskompetenz besteht. Eine von Verwaltern freudig aufgegriffene und vielzitierte Ausnahme schuf das LG München I: Demnach sei es unzulässig, weil treuwidrig, entgegen einer jahrelangen Praxis "aus heiterem Himmel" die Jahresabrechnung mit Begründung anzufechten, sie weiche vom Kalenderjahr ab. So unerfreulich derartige "überraschende Anfechtungen" auch sein mögen, man kann dem LG München I aus prinzipiellen Gründen trotzdem nicht zustimmen. Vielmehr gilt: "Es gibt keinen Vertrauensschutz für Verwalter, dass die bisher praktizierte von den Eigentümern hingenommene (falsche) Abrechnungsweise beibehalten werden darf. Es ist nicht treuwidrig, wenn der Anfechtende erstmals bisher akzeptierte Fehler zur Grundlage seiner Beschlussanfechtung macht."
Rz. 155
Praxistipp
Das Wirtschaftsjahr sollte dem Gesetz entsprechend das Kalenderjahr sein. Eine abweichende Abrechnungspraxis ist schleunigst zu ändern. (Nur) bei der Umstellung ist einmalig ein "Restkalenderjahr" oder ein 13-monatiger Zeitraum als Abrechnungszeitraum unvermeidlich und rechtmäßig.
Rz. 156
Der Wirtschaftsplan kann sich auf das bei Beschlussfassung bereits laufende oder auf das darauf folgende Kalenderjahr beziehen. Die erste Variante ist in der Praxis verbreitet.
Beispiel
Auf der Eigentümerversammlung im April 2022 werden Vorschüsse auf Basis des Wirtschaftsplans für das Jahr 2022 beschlossen. Auf der Eigentümerversammlung im April 2023 werden Vorschüsse auf Basis des Wirtschaftsplans für das Jahr 2023 beschlossen.
Rz. 157
Die damit zwangsläufig einhergehende teilweise Rückwirkung ist rechtmäßig. Wenn der neue Wirtschaftsplan – wie üblich – höher ausfällt als der letzte, werden für die bei Beschlussfassung bereits zurück liegenden Monate (im vorstehenden Beispiel Januar bis April 2022), für die noch Vorschüsse nach dem alten Wirtschaftsplan zu leisten waren, Nachzahlungen fällig. Das ließe sich zwar vermeiden, indem die sich aus dem neuen Wirtschaftsplan ergebenden Vorschüsse erst ab dem auf die Beschlussfassung folgenden Monat gelten sollen; dann geht aber die Kalkulation des auf das ganze Jahr bezogenen Wirtschaftsplans nicht auf, weshalb die Nachzahlung nicht ausgeschlossen, sondern klar geregelt werden muss. Zu empfehlen ist ein entsprechender Dauerbeschluss gem. § 28 Abs. 3 WEG (Muster → § 8 Rdn 180).
Rz. 158
Im alten Recht wurde "der Wirtschaftsplan" beschlossen. Mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf das sich der Wirtschaftsplan bezog, verlor er seine Wirkung und die Vorschusspflicht entfiel. Deshalb war der Beschluss einer Fortgeltungsklausel, wonach die Vorschusspflicht bis zum Beschluss (oder: bis zum Inkrafttreten) eines neuen Wirtschaftsplans gelten sollte, dringend zu empfehlen. Nach dem neuen Recht wird aber, wie gesagt, nicht der Wirtschaftsplan beschlossen, sondern "reine" Zahlungspflichten in Gestalt der Vorschüsse. Die einmal begründete Zahlungspflicht gilt, wie jeder Beschluss, im Prinzip unbegrenzt lange, also nicht beschränkt auf ein bestimmtes Kalenderjahr. Vor diesem Hintergrund lässt sich vertreten, dass es keiner Fortgeltungsklausel mehr bedarf. Aber ganz sicher ist diese Schlussfolgerung jedenfalls dann nicht, wenn der Beschluss (entsprechend dem obigen Muster) unter Bezugnahme auf einen bestimmten Wirtschaftsplan gefasst wird. Deshalb gilt die Empfehlung, den Beschluss über die Vorschüsse mit einer Fortgeltungsklausel zu versehen, bis auf weiteres fort. Am einfachsten wäre es, man könnte per Dauerbeschluss gem. § 28 Abs. 3 WEG festlegen, dass jeder Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen gilt; das lässt der BGH aber nicht zu, weil es für eine generelle Regelung an der Beschlusskompetenz fehle. Also bleibt nichts anderes übrig als die Fortgeltung in jedem Einzelfall mitzubeschließen. An der Pflicht, für jedes Jahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, ändert eine Fortsetzungsklausel übrigen...