1. "Übliche Vergütung" im Verhältnis Geschädigter – Sachverständiger (LS)
Rz. 1
Zitat
BGB §§ 631, 632 Abs. 2, 315 Abs. 1, 286
a) |
Ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstellen hat, ist ein Werkvertrag. |
b) |
Für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen ist der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich, wobei nach § 632 BGB – in dieser Reihenfolge – ihre tatsächliche Absprache, eine eventuell vorliegende Taxe oder die übliche Vergütung den Inhalt der Vereinbarung bestimmen. Andernfalls ist eine verbleibende Vertragslücke nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können. Nur wenn sich auf diese Weise eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht ermitteln lässt, kann zur Ergänzung des Vertrages auf die Vorschriften der §§ 315, 316 BGB zurückgegriffen werden. |
c) |
Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung seiner Honorare vornimmt, überschreitet die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht. |
d) |
Mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB tritt Verzug des Schuldners ohne weiteres und auch dann ein, wenn das Urteil einen bestimmten Zeitpunkt für die Leistung nicht ausdrücklich festlegt. |
2. Ersatzfähigkeit im Verhältnis Geschädigter – Haftpflichtversicherer
Rz. 2
Zitat
BGB § 249
Nach einem Verkehrsunfall kann grundsätzlich ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden.
a) Der Fall
Rz. 3
Der Kläger begehrte von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Schädigers Erstattung der Kosten für ein Sachverständigengutachten, das er nach einem Verkehrsunfall eingeholt hatte. Die uneingeschränkte Haftung der Beklagten für die entstandenen Schäden war unstreitig.
Rz. 4
Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung seines beschädigten Fahrzeugs. In der im Auftrag enthaltenen Preisvereinbarung heißt es:
Zitat
A) Die Grundgebühr (G) richtet sich – nach der Schadenhöhe (S)* – unterhalb (S) = 600 EUR beträgt (G) = 99 EUR und ab (S) 600 EUR beträgt (G) = (S) hoch 0,57 × 3 EUR bei manueller Kalkulation (Daten über Terminal nicht abrufbar) gilt G plus 20 % und bei verringertem Aufwand (ohne Kalkulation) gilt G – 40 % zusätzlich bei späterer Nach-/Altteilbesichtigung, bzw. Stellungnahmen erfolgt eine zusätzliche Berechnung mit G – 50 % oder nach Zeitaufwand. B) nach der aufgewendeten Zeit *(mit 85 EUR/je Std.) C) Hinzu kommen immer die Nebenkosten ** und die gesetzliche MwSt ***.
*nicht zutreffenden Fettdruck der Preisvereinbarung bitte streichen.
Bei Buchstabe B) waren die Worte "nach der aufgewendeten Zeit" gestrichen. Die Nebenkosten waren unterhalb dieses Textes pauschaliert und erläutert.
Rz. 5
Der Sachverständige stellte dem Kläger für das erstattete Gutachten 363 EUR brutto in Rechnung. Die Grundgebühr berechnete er laut Schadenshöhe mit 221 EUR netto; für Fahrtkosten, Farbbilder, Porto/Telefon, Terminal- und Schreibgebühren berechnete er weitere 92 EUR netto. Da die Beklagte die Zahlung der Sachverständigenkosten ablehnte, beglich der Kläger die Rechnungssumme.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat das dem Kläger die geltend gemachten Kosten zusprechende Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 160 EUR nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrte.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 7
Nach Auffassung des Landgerichts war die Höhe der Reparaturkosten nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs zu bestimmen. Der Schädiger sei nicht verpflichtet, übersetzte Kosten zu tragen, wenn der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Gemäß § 249 Abs. 2 BGB seien grundsätzlich nur die Kosten ersetzbar, die zur Erstattung des Gutachtens erforderlich seien. Soweit der Gutachter sein Honorar gemäß § 315 BGB bestimmt habe, sei die Festsetzung des Honorars nach Reparaturaufwand unbillig. Das Entgelt sei entsprechend dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) zu bemessen, das für die gerichtliche Tätigkeit eines Sachverständigen gelte. Dem Kläger stehe daher nur ein Anspruch auf Ersatz der Stundenvergütung nach dem JVEG für höchstens 71 Minuten in Höhe von 112,50 EUR zu.
Rz. 8
Diese Ausführungen hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Kosten des Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung...