Rz. 570
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV RVG um 0,3 je weiteren Auftraggeber, soweit diese an dem zugrunde liegenden Gegenstand gemeinschaftlich beteiligt sind (Nr. 1008 VV RVG).
Rz. 571
Problematisch ist insbesondere in Verkehrsunfallsachen die Berechnung, wenn die verschiedenen Auftraggeber nur teilweise gemeinschaftlich beteiligt sind. Eine solche Konstellation ergibt sich in der Regel bei Klage und Widerklage. Während die Klage nur im Namen eines Auftraggebers geführt wird, richtet sich die Widerklage in aller Regel zumindest gegen Fahrer und Versicherer, gelegentlich auch zusätzlich gegen den Halter, also u.U. gegen drei Auftraggeber, sodass sich die Verfahrensgebühr insoweit erhöht.
Rz. 572
Wichtig ist, dass es auch nach dem RVG keine "Erhöhungsgebühr" gibt, sondern nur erhöhte Gebühren. Die Erhöhung darf daher nicht selbstständig als eigene Gebühr berechnet werden. Auch wenn die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern bei den "allgemeinen Gebühren" steht, darf dies nicht dazu verleiten, sie als eigene Gebühr anzusehen. Der Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG ist eindeutig. Es wird keine neue zusätzliche Gebühr gewährt. Vielmehr findet nur eine Erhöhung anderer Gebühren statt.
Rz. 573
Beispiel
Der Fahrzeugeigentümer beauftragt seinen Anwalt, gegen den Unfallgegner Klage auf Schadensersatz in Höhe von 12.000 EUR zu erheben. Nach Zustellung der Klage erhebt der Unfallgegner Widerklage gegen den Fahrzeugeigentümer sowie gegen den Fahrer und den Haftpflichtversicherer auf Ersatz seines Schadens in Höhe von 7.000 EUR. Der Anwalt des Fahrzeugeigentümers erhält auch das Mandat für die Verteidigung gegen die Widerklage.
Rz. 574
Die überwiegende Rspr. will in solchen Fällen eine nicht erhöhte Gebühr aus dem Gesamtwert abrechnen sowie eine Erhöhung aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung (OLG Köln Rpfleger 1987, 175; OLG Frankfurt MDR 1983, 764; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; LG Berlin Rpfleger 1981, 123; LG Freiburg Rpfleger 1982, 393; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 21. Auflage, Nr. 1008 VV Rn 228 ff.).
Rz. 575
Danach wäre wie folgt zu rechnen:
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) |
785,20 EUR |
0,6 Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV RVG (Wert: 7.000 EUR) |
243,00 EUR |
Gesamt |
1.028,20 EUR |
Rz. 576
Die Berechnung ist jedoch unzutreffend, da es – wie bereits ausgeführt – keine Erhöhungsgebühr gibt, sondern nur erhöhte Gebühren. Zutreffend ist vielmehr, aus dem Wert der einfachen Beteiligung die nicht erhöhte Verfahrensgebühr zu berechnen und aus dem Wert der mehrfachen Beteiligung eine erhöhte Gebühr. Das Gesamtaufkommen ist dann nach § 15 Abs. 3 RVG zu begrenzen (OLG Hamburg MDR 1978, 767; LG Bonn AGS 1998, 115; LG Bonn Rpfleger 1995, 384 m. Anm. N. Schneider; AnwK-RVG/Schnapp, 4. Auflage, 2008, VV 1008 Rn 48 f.; Lappe, Rpfleger 1981, 94; N. Schneider, MDR 1998, 1439; Hergemünder, AGS 2007, 53, 55, Ziff. V; Engels, MDR 2001, 355).
Zu rechnen ist also wie folgt:
1,9 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 7.000 EUR) |
769,50 EUR |
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) |
785,20 EUR |
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als eine 1,9 Gebühr aus 19.000 EUR |
1.322,40 EUR |
Rz. 577
Der Gebührenunterschied ist also erheblich. Wer nach der ersten Berechnungsmethode verfährt, führt hier eine Degression ein, die nicht vorgesehen ist und verschenkt damit wertvolle Gebühren.