Rz. 513
Die "Einigungsgebühr" entspricht in etwa der früheren "Vergleichsgebühr" gem. § 23 BRAGO, hat aber einen erweiterten Anwendungsbereich dadurch, dass die Bezugnahme auf § 779 BGB weggefallen ist (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, 21. Auflage, Nr. 1000 VV RVG Rn 1). Sie ist eine reine Erfolgsgebühr. Der Erfolg ist die Entlastung der Gerichte und die Bemühung um möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens. Sie entsteht zusätzlich zu den Tätigkeitsgebühren "Geschäftsgebühr" bzw. "Verfahrensgebühr".
Rz. 514
Eine Einigung liegt auch dann vor, wenn kein gegenseitiges Nachgeben stattgefunden hat. Dieses Tatbestandsmerkmal ist also entfallen. Es ist vorrangig darauf abzustellen, ob durch die Vereinbarung Streit und Ungewissheit beseitigt worden sind. Selbstverständlich genügen alle Vergleiche i.S.d. § 779 BGB auch dem Tatbestandsmerkmal der "Einigung" und lösen die Gebühren nach Nr. 1000 VV RVG aus, wenn die sonstigen Tatbestandsmerkmale Vertrag, zur Beseitigung von Streit und Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis, ursächliche Mitwirkung des Rechtsanwaltes erfüllt sind und das negative Merkmal "lediglich auf Anerkenntnis oder Verzicht beschränkt" nicht vorliegt (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, 24. Auflage 2019, Nr. 1000 VV RVG Rn 34 ff.).
Rz. 515
Wird zum Abschluss der Regulierung eine Abfindungserklärung unterzeichnet, liegt in jedem Fall eine Einigung vor und die Gebühr gem. Nr. 1000 VV RVG fällt an (AG Neuss zfs 1991, 160 zu der früheren Vergleichsgebühr).
Rz. 516
Die Gebühr beträgt im Falle einer außergerichtlichen Einigung 1,5, bei einem anhängigen gerichtlichen Verfahren (insbesondere beim gerichtlichen Vergleich) gem. Nr. 1003 VV RVG 1,0.
Rz. 517
Fraglich ist, was unter dem Begriff der "Mitwirkung des Rechtsanwaltes beim Abschluss des Vergleiches" zu verstehen ist. Das setzt nicht voraus, dass der Rechtsanwalt persönlich mit der Gegenpartei verhandelt hat oder dass er bei dem endgültigen Abschluss der Einigung anwesend war. Es genügt vielmehr die Prüfung und Begutachtung des Einigungsvorschlages und die Beratung der eigenen Partei (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Nr. 1000 VV RVG Rn 247 ff.). Ferner ist es ausreichend, wenn die anwaltlichen Bemühungen zumindest mitursächlich für das Zustandekommen der Einigung waren.
Rz. 518
Als Mitwirkung genügen nicht:
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Allgemeiner Rat zur gütlichen Einigung |
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Erfolgloses Bemühen, das entweder zu keiner Einigung geführt hat oder auf die später zustande gekommene Einigung keinen Einfluss hatte |
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Bloße Mitteilung von Einigungsvorschlägen der Gegenpartei oder Stellungnahme |
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Abraten vom Abschluss einer Einigung, es sei denn, der Rechtsanwalt schließt trotz seines Abratens die Einigung auf Anweisung des Mandanten ab |
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Abschluss unter Abweichung von Weisungen der Partei, denn die Tätigkeit muss durch den erteilten Auftrag gedeckt sein. |
Rz. 519
Gegenstandswert ist der Betrag, über den – nicht auf den – die Einigung erfolgt ist, also ggf. weniger als der anfängliche Geschäftswert bei einem Teilvergleich. Bei Abfindungsvergleichen ist nach dem Wortlaut der Erklärung aber meistens eine Einigung über den Gesamtstreit erzielt worden, sodass dann auch mindestens der Gesamtabfindungsbetrag den Gegenstandswert darstellt.
Rz. 520
Eine gebührenrechtliche Besonderheit besteht, wenn der Mandant bereits Klageauftrag erteilt hat und der Anwalt in einem Telefonat zur Abwendung des Prozesses noch einen Vergleich schließt: Dann fällt die 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG an, auch wenn die Klage noch nicht anhängig ist. Hinzu kommt die 0,8 Gebühr gem. Nr. 3101 VV RVG sowie die 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG. Voraussetzung ist aber der erteilte Klageauftrag, der schriftlich dokumentiert sein sollte.
Rz. 521
Tipp
Oft spielt der Versicherer so genannten Klagepoker, d.h. er reguliert verzögerlich und wartet ab, ob der Anwalt des Geschädigten klagt. Sobald die Klage zugestellt ist, erfolgt der Anruf des Schadenleiters, in dem Anerkenntnis und sofortige Zahlungsbereitschaft signalisiert werden. Zugleich wird um Rücknahme der Klage gebeten und Kostenübernahme zugesichert. Auch im Falle einer Klagerücknahme auf Bitten des Versicherers liegt ein Vergleich bzw. eine Einigung vor (AG Dortmund zfs 2002, 196). Das Beseitigen von Streit durch den Geschädigten liegt im Verzicht auf die Weiterverfolgung und Titulierung des Anspruchs, das Nachgeben der Beklagten liegt im Verzicht auf ein die Klage abweisendes Urteil und in der Übernahme der Kosten.
Der Geschädigte und der Versicherer verzichten also auf die Klärung der Haftungsfragen im Rechtsstreit (AG Wiesbaden zfs 1992, 310; AG Dortmund zfs 2002, 196). Voraussetzung dabei ist jedoch, dass die Klage gerade in Erfüllung der durch die Einigung übernommenen Verpflichtungen zurückgenommen wird.
Merke
Klagerücknahme immer nur gegen Gebührenvereinbarung mit dem gegnerischen Versicherer in Form der Zahlung von mindestens einer 1,3 Verfahrensgebühr plus 1,0 Einigungsgebühr plus ggf. 1,2 Terminsgebühr bei Telefonat sowie des nicht anrechenbaren Teils der außerg...