Rz. 564

Im Rechtsstreit erhält der Anwalt die Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV RVG. Es gibt jetzt nur noch eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) sowie eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG). Die Beweisgebühr, wie es sie noch nach der BRAGO gab (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO a.F.), ist entfallen. Daneben kann der Anwalt lediglich noch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 ff. VV RVG verdienen.

aa) Verfahrensgebühr

 

Rz. 565

Nach Nr. 3100 VV RVG erhält der Anwalt eine 1,3 Verfahrensgebühr. Diese Gebühr entsteht nach Abs. 2 Vorbem. 3 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der Information. Der Anwendungsbereich entspricht damit also dem der früheren Prozessgebühr.

(1) Vorzeitige Erledigung

 

Rz. 566

Erledigt sich der Auftrag vorzeitig, etwa weil es nicht mehr zur Klageeinreichung kommt, so erhält der Anwalt nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG lediglich eine 0,8 Verfahrensgebühr (bisher § 32 Abs. 1 BRAGO: 5/10-Gebühr).

 

Rz. 567

 

Beispiel

Der Anwalt erhält den Auftrag, Klage auf Schadensersatz i.H.v. 10.000 EUR zu erheben. Bevor er die Klage einreicht, zahlt der Versicherer. Es entsteht nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG nur eine 0,8 Gebühr. Abzurechnen ist also wie folgt:

 
0,8 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) 446,40 EUR
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 466,40 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 88,62 EUR
Gesamt 555,02 EUR

(2) Protokollierung weiter gehender nicht anhängiger Ansprüche

 

Rz. 568

Kommt es im gerichtlichen Verfahren zur Protokollierung einer Einigung über weitergehende nicht anhängige Ansprüche, so entsteht nach Nr. 3101 Ziff. 2 Alt. 1 VV RVG zusätzlich eine 0,8 Verfahrensgebühr, wobei allerdings § 15 Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist. Insgesamt kann der Anwalt nicht mehr als eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert verlangen.

 

Beispiel

Eingeklagt ist der Sachschaden i.H.v. 10.000 EUR. Im Termin einigen sich die Parteien über die Klageforderung sowie über eine nicht anhängige Schmerzensgeldforderung i.H.v. 2.000 EUR. Aus dem Wert des Schmerzensgeldanspruchs entsteht jetzt zusätzlich unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG.

Die Verfahrensgebühr(en) berechnen sich wie folgt:

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) 725,40 EUR
0,8 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG (Wert: 2.000 EUR) 120,00 EUR
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 12.000 EUR 785,20 EUR

(3) Verhandlungen über weiter gehende nicht anhängige Ansprüche

 

Rz. 569

Neu ist, dass der Anwalt auch dann eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG erhält (2. Alt.), wenn es nicht zu einer Protokollierung der nicht anhängigen Gegenstände kommt, sondern die Parteien lediglich Verhandlungen oder Erörterungen vor Gericht zur Einigung über solche Ansprüche führen.

(4) Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern

 

Rz. 570

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV RVG um 0,3 je weiteren Auftraggeber, soweit diese an dem zugrunde liegenden Gegenstand gemeinschaftlich beteiligt sind (Nr. 1008 VV RVG).

 

Rz. 571

Problematisch ist insbesondere in Verkehrsunfallsachen die Berechnung, wenn die verschiedenen Auftraggeber nur teilweise gemeinschaftlich beteiligt sind. Eine solche Konstellation ergibt sich in der Regel bei Klage und Widerklage. Während die Klage nur im Namen eines Auftraggebers geführt wird, richtet sich die Widerklage in aller Regel zumindest gegen Fahrer und Versicherer, gelegentlich auch zusätzlich gegen den Halter, also u.U. gegen drei Auftraggeber, sodass sich die Verfahrensgebühr insoweit erhöht.

 

Rz. 572

Wichtig ist, dass es auch nach dem RVG keine "Erhöhungsgebühr" gibt, sondern nur erhöhte Gebühren. Die Erhöhung darf daher nicht selbstständig als eigene Gebühr berechnet werden. Auch wenn die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern bei den "allgemeinen Gebühren" steht, darf dies nicht dazu verleiten, sie als eigene Gebühr anzusehen. Der Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG ist eindeutig. Es wird keine neue zusätzliche Gebühr gewährt. Vielmehr findet nur eine Erhöhung anderer Gebühren statt.

 

Rz. 573

 

Beispiel

Der Fahrzeugeigentümer beauftragt seinen Anwalt, gegen den Unfallgegner Klage auf Schadensersatz in Höhe von 12.000 EUR zu erheben. Nach Zustellung der Klage erhebt der Unfallgegner Widerklage gegen den Fahrzeugeigentümer sowie gegen den Fahrer und den Haftpflichtversicherer auf Ersatz seines Schadens in Höhe von 7.000 EUR. Der Anwalt des Fahrzeugeigentümers erhält auch das Mandat für die Verteidigung gegen die Widerklage.

 

Rz. 574

Die überwiegende Rspr. will in solchen Fällen eine nicht erhöhte Gebühr aus dem Gesamtwert abrechnen sowie eine Erhöhung aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung (OLG Köln Rpfleger 1987, 175; OLG Frankfurt MDR 1983, 764; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; LG Berlin Rpfleger 1981, 123; LG Freiburg Rpfleger 1982, 393; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 21. Auflage, Nr. 1008 VV Rn 228 ff.).

 

Rz. 575

Danach wäre wie folgt zu rechnen:

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (Wert: 12.000 EUR) 785,20 EUR
0,6 Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV RVG (Wert: 7.000 EUR) 243,00 EUR
Gesamt 1.028,20 EUR
 

Rz. 576

Die Berechnung ist jedoch unzutreffend, da e...

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