Isabelle Losch, Walter Krug
Rz. 90
Die Feststellungen eines Notars in der Urkunde gem. § 28 BeurkG über die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit erbringen zwar nicht den Beweis für die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit gem. §§ 415 ff. ZPO, sind aber im Prozess und im Erbscheinsverfahren gem. § 286 ZPO bzw. § 37 Abs. 1 zu würdigen.
Rz. 91
Gem. § 11 Abs. 1 BeurkG soll ein Notar die Beurkundung ablehnen, wenn nach seiner Überzeugung einem Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt. Liegen lediglich Zweifel vor, muss dieser somit beurkunden. Dabei ist auch nicht außer Acht zu lassen, dass, sollte der Notar die Beurkundung aufgrund seiner persönlichen Einschätzung ablehnen, der Erschienene jedoch geschäftsfähig sein, in der Regel eine Regresspflicht des Notars besteht. Liegen lediglich Zweifel vor, so sind diese in der Niederschrift möglichst ausführlich festzuhalten. Bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen sollen die Notare gem. § 28 BeurkG ihre Wahrnehmungen über die Geschäftsfähigkeit in der Niederschrift vermerken. Errichtet der Erblasser vor dem Notar eine letztwillige Verfügung von Todes wegen, so hat sich dieser zwar von Amts wegen von der Testierfähigkeit zu überzeugen und diesbezüglich Ausführungen zu machen. Der übliche Standardsatz hat aber keinen Beweiswert. Die Ausführungen eines Notars in der Urkunde selbst, in einem separaten Dokument oder im Rahmen seiner Zeugenvernehmung können Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit bieten. Dies gilt jedoch gerade nicht für eine schlichte formularartige Bejahung des Vorliegens einer Testierfähigkeit. Eine Bejahung der Testierfähigkeit durch den Notar hat lediglich Indizwirkung, welche einer Führung des Gegenbeweises nicht entgegensteht. Der Notar selbst ist, wie auch ein Richter, zu einer weiteren Beurteilung nicht im Stande. Seine Wahrnehmungen haben keinen rechtsverbindlichen Charakter. Er ist kein Universalgelehrter. Ein Notar ist ein Jurist und kein Psychiater, mithin gerade nicht dafür ausgebildet, psychopathologisch fundierte Feststellungen bezüglich der Geschäfts- und Testierfähigkeit zu treffen. Auch ist die Situation des Beurkundungstermins und der damit einhergehende knappe Zeitrahmen nicht für derartig notwendige Untersuchungen geeignet. Gem. § 418 ZPO nehmen die niedergeschriebenen Wahrnehmungen des Notars zwar an der Beweiskraft teil, nicht jedoch seine rechtlichen Schlussfolgerungen. Der in der Urkunde gem. § 28 BeurkG festgehaltenen persönlichen Überzeugung des Notars aufgrund des mit dem Testierenden geführten Gesprächs kommt lediglich eine gewichtige indizielle Bedeutung zu. Nach Rechtsprechung des Kammergerichts kommt der Aussage des Notars im Streitfalle allerdings erhöhte Bedeutung zu, da er nach § 28 BeurkG seine Wahrnehmungen über die Geschäftsfähigkeit in der Urkunde vermerken soll.
Rz. 92
Der Notar kann sich nur auf seine bisherige Erfahrung verlassen, ohne dabei auf das erforderliche medizinische Wissen zurückgreifen zu können, das erforderlich wäre, um Anzeichen einer Testierunfähigkeit zu erkennen. Der Notar kann somit nur den psychiatrischen Sachverständigen im Rahmen dessen Gutachtenerstellung unterstützen, indem er diesem das sich ihm Dargebotene im Rahmen seiner Beauftragung und der Beurkundung schildert.
Rz. 93
Notare wie auch Richter oder gar Psychiater können zu positiven Fehlschlüssen bezüglich der Testierfähigkeit kommen, wenn sie auf eine die Testamentserrichtung gut vorbereitete Person treffen und nicht alle wesentlichen Umstände, insbesondere die Vorgeschichte, kennen und berücksichtigen.
Der Notar sollte in einem längeren Gespräch mittels offener Fragestellungen, die im engen Zusammenhang mit der zu beurkundenden letztwilligen Verfügung stehen, sich ein Bild über die aktuellen geistigen Fähigkeiten des Testators verschaffen. Denn allein durch das konkretere Nachfragen lässt sich bei dem Vorliegen eines Fassadenphänomens (vgl. Rdn. 40) das Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung zumindest grob einschätzen. Im Zweifel sollte der Notar somit über die Einholung eines Attestes eines neurologischen oder psychiatrischen Facharztes nachdenken, anstatt die Beurkundung ohne weitere Rückfragen vorzunehmen.
Praxistipp
Der Notar sollte vor Beurkundung die Möglichkeit ergreifen, mit dem Testator allein die Situation zu erörtern und sich so zum einen ein Bild über die Testierfähigkeit als auch über den Willen zu testieren verschaffen. Nach Beurkundung sollte sich dieser ferner möglichst genau die Umstände notieren, wie es zu der Beurkundung kam und wie der Testator auf ihn wirkte.