Rz. 37
Sind die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung nach § 30d ZVG gegeben, hat das Versteigerungsgericht von Amts wegen die Auflage anzuordnen, dass an den betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind, § 30e Abs. 1 S. 1 ZVG. Die Zinszahlung verfolgt den Zweck, dass dem betreibenden Gläubiger des Versteigerungsverfahrens kein wirtschaftlicher Nachteil dadurch entsteht, dass das Versteigerungsverfahren einstweilen eingestellt wird. Die Anordnung der Zinszahlung ist zwingend, ein Ermessen besteht nicht.
Rz. 38
Streitig ist, in welcher Höhe der Zinsausgleich zu zahlen ist: vertraglich vereinbarte oder dingliche Zinsen.
Rz. 39
Gerade bei der Grundschuld in der Zwangsversteigerung können die vertraglichen Zinsvereinbarungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger jedoch keine Berücksichtigung finden, da das Versteigerungsgericht nur die aus dem Grundbuch ersichtlichen dinglichen Zinsen zu beachten hat, § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG. Das Wesen der Grundschuld ist die fehlende Akzessorietät der Forderung. Die Grundschuld gibt dem Gläubiger das Recht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstück, § 1191 Abs. 1 BGB. Die Grundschuld ist ein von der Forderung losgelöstes abstraktes Recht, auch wenn sie in der Praxis regelmäßig zu Sicherungszwecken bestellt wird. Die Grundschuld gibt dem Gläubiger weiter das Recht, das belastete Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung zu verwerten und den auf die Grundschuld entfallenden Erlös im Rang seines grundbuchrechtlich gesicherten Rechts zu entnehmen, §§ 1192, 1147, 879 BGB, § 45 GBO, § 10 ZVG. Auch die im Grundbuch eingetragenen Grundschuldzinsen, die regelmäßig wesentlich höher liegen als die geschuldeten Darlehenszinsen, sind abstrakt und nicht von einer Forderung abhängig. Grundschuldzinsen können nicht nur für die Kreditzinsen herangezogen werden, sondern dienen auch der Sicherung aller bestehenden oder künftigen Ansprüche des Gläubigers, können mithin auch auf die Hauptforderung verrechnet werden.
Rz. 40
Das Gericht hat auch keine Möglichkeit und Handhabe, vom Gläubiger die Höhe der vertraglichen Zinsen zu erfragen. Das Gericht müsste deswegen eine willkürliche Zinshöhe als Ausgleich festlegen. Die Grundschuld kann auch zahlreiche Einzelforderungen absichern, wobei die einzelnen Forderungen selbstverständlich auch unterschiedlich verzinst werden können. Ein Abstellen auf die vertraglich vereinbarten Zinsen ist daher gar nicht möglich.
Rz. 41
Hinweis
Die Zinszahlung aus der Insolvenzmasse ist jedoch nur bei denjenigen betreibenden Gläubigern des Versteigerungsverfahrens anzuordnen, die nach der Höhe ihrer Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastungen des Grundstücks auch mit einer Befriedigung aus dem Versteigerungserlös rechnen können, § 30e Abs. 3 ZVG. Denjenigen Gläubigern, die nicht mit einer Erlöszuteilung rechnen können, darf von Amts wegen keine Zinsausgleichsleistung zugesprochen werden.
Rz. 42
Die Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung liegen auf der Hand. Ausgehend von dem in der Zwangsversteigerung festgesetzten Verkehrswert, § 74a Abs. 5 ZVG, ist die Prognose zu treffen, in welcher Höhe der oder die betreibenden Gläubiger in der Zwangsversteigerung einen Ausfall erleiden. Sofern der Verkehrswert noch nicht festgesetzt wurde, kann die Prognose praktisch überhaupt nicht getroffen werden. Hinweise, die Verkehrswertfestsetzung vorzuziehen, sind eher theoretisch, das ZVG sieht diese Vorgehensweise auch nicht vor. Ungewiss ist dabei auch der Ausgang des Zwangsversteigerungstermins (das Meistgebot kann auch nicht "vorgezogen" werden).
Rz. 43
Auf Antrag des betreibenden Gläubigers des Versteigerungsverfahrens ist weiter die Auflage anzuordnen, dass der entstehende Wertverlust von der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens an durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse an den oder die Gläubiger auszugleichen ist, § 30e Abs. 2 ZVG. Der Antrag ist an keine Frist gebunden, sollte jedoch bereits vor Anordnung der einstweiligen Einstellung gestellt werden.
Rz. 44
Die Ausgleichszahlung setzt voraus, dass das Grundstück einem direkten Wertverlust ausgesetzt ist, z.B. Abbau von Sand, Kies, Steinen auf dem Grundstück. Ein Wertverlust kann sich weiterhin auf die Gegenstände beziehen, die kraft Gesetzes mit versteigert werden, insbes. Zubehörgegenstände, § 55 ZVG.
Rz. 45
Der antragstellende Gläubiger hat die Tatsachen für einen Wertverlust vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen; eine Ermittlung von Amts wegen findet nicht statt, §§ 30d Abs. 3, 30b Abs. 2 ZVG.
Rz. 46
Der Ausgleich für den Wertverlust wird durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse an den bzw. die betreibenden Gläubiger durch den Insolvenzverwalter geleistet. Die laufenden Zahlungen sind von der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens an zu leisten.