Rz. 211

Folge des § 27 VersAusglG ist die Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz durch den ganzen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Möglich sind

die Herabsetzung einzelner Anteile am Versorgungsausgleich (z.B. Außerachtlassen der betrieblichen Altersversorgung),
die Nichtberücksichtigung der gesamten Versorgungsanwartschaften aus einzelnen Tätigkeiten (z.B. aus einer überobligationsmäßig neben der Kindererziehung ausgeübten Berufstätigkeit),
der völlige Ausschluss des gesamten Versorgungsausgleichs.

Was im Einzelfall erfolgt, richtet sich danach, was erforderlich ist, um die Härte für den (jeweils) Ausgleichspflichtigen zu beseitigen.

 

Rz. 212

Immer jedoch ist die Folge auf eine Reduzierung eines an sich gegebenen Versorgungsausgleichs beschränkt. Die Heraufsetzung des Ausgleichs in Bezug auf ein Anrecht kommt nicht in Betracht, auch wenn ein niedriger Ausgleich für den Ausgleichsberechtigten eine besondere Härte begründet. § 27 VersAusglG ist eine negative, keine positive Härteregelung.[157]

 

Rz. 213

 

Beispiel

M hat in der Ehezeit sowohl Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 20 Entgeltpunkten (2016: 609,60 EUR mtl.) als auch eine private Versorgung mit einem zugesagten Rentenbetrag von 350 EUR mtl. erworben. Seine Frau F hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. zehn Entgeltpunkten (2016: 304,80 EUR mtl.) erworben. Durch Manipulationen bewirkt er den Wegfall der privaten Versorgung noch vor dem Ehezeitende.

Im Ausgleich ohne Anwendung der Härteklausel und ohne Wegfall des privaten Anrechts wären auszugleichen gewesen:[158]

 
Inhaber Anrecht Ehezeitanteil Ausgleichswert Lage nach dem Ausgleich  
F GRV 304,80 EUR 152,40 EUR F: 152,40 EUR
        M: 152,40 EUR1
M GRV 609,60 EUR 304,80 EUR F: 304,80 EUR2
        M: 304,80 EUR
M private Versorgung 350 EUR 175 EUR F: 175 EUR
        M: 175 EUR
1 Es findet nach § 10 Abs. 2 VersAusglG eine Verrechnung mit den verlorenen Anrechten statt.
2 Es findet nach § 10 Abs. 2 VersAusglG eine Verrechnung mit den verlorenen Anrechten statt.

Da das private Anrecht nicht mehr existiert, muss es aber aus dem Ausgleich ausgesondert werden. Gleichzeitig folgt daraus aber, dass insofern ein Härtegrund zugunsten von F verwirklicht ist. Dieser ist grds. durch die Herabsetzung des zulasten von F durchzuführenden Ausgleichs zu berücksichtigen (§ 27 VersAusglG). Da F insgesamt weniger ausgleichen muss als die aufseiten von M durch Manipulation abhanden gekommenen Rechte wert waren, bedeutet das, dass nur ein Versorgungsausgleich in Bezug auf das Anrecht von M in der gesetzlichen Rentenversicherung stattfindet. Die Anrechte von F bleiben unausgeglichen.

 
Inhaber Anrecht Ehezeitanteil Ausgleichswert Lage nach dem Ausgleich  
F GRV 304,80 EUR 152,40 EUR F: 304,80 EUR
        M: 0 EUR
M GRV 609,60 EUR 304,80 EUR F: 304,80 EUR
        M: 304,80 EUR

Dass F an sich von dem Anrecht, das M illoyal zum Erlöschen gebracht hat, einen Ausgleich i.H.v. 175 EUR bekommen hätte, während sie jetzt durch den Nichtausgleich ihrer Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich ein Anrecht i.H.v. 152,40 EUR behält, das sie sonst hätte ausgleichen müssen, führt zu keiner weiteren Änderung des Ausgleichs. Die Anwendung der Härteklausel des § 27 VersAusglG kann immer nur zur Reduzierung des an sich gebotenen Ausgleichs eines Anrechts des benachteiligten ausgleichspflichtigen Ehegatten führen, nicht aber zur Erhöhung des Ausgleichs aufseiten des illoyalen anderen ­Ehegatten. I.H.v. 22,60 EUR vermag auch die neue Härteregelung deswegen nicht weiterzuhelfen.

 

Rz. 214

Dieses schon unter dem alten Recht geltende Prinzip wird faktisch dadurch erheblich modifiziert, dass die Art des Ausgleichs im neuen Recht ganz anders ist als früher: Jetzt werden auf jeder Seite Anrechte ausgeglichen, sodass (fast immer) beide Ehegatten sowohl Ausgleichspflichtige wie auch Ausgleichsberechtigte sein können – und zwar in vielen Fällen in Bezug auf mehrere Anrechte auf jeder Seite. Das bedeutet, dass heute jede einzelne anrechtsbezogene Ausgleichspflicht eingeschränkt werden kann.

 

Rz. 215

 

Beispiel

M hat in der Ehe Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 300 EUR erworben sowie solche der betrieblichen Altersversorgung i.H.v. 30 EUR.[159] Seine Frau F hat aus der Beamtenversorgung des Landes NRW Anrechte i.H.v. 450 EUR. M bewirkt den Wegfall des Anrechts in der betrieblichen Altersversorgung dadurch, dass er eine fristlose Kündigung seitens des Arbeitgebers provoziert. F zeigt M während der Trennungszeit zu Unrecht wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter an.

In diesem Fall wären an sich drei Anrechte auszugleichen. Der Ausgleich des betrieblichen Anrechts von M ist aber unmöglich geworden, da er dieses Anrecht durch illoyales Verhalten zum Erlöschen gebracht hat, sodass auf jeder Seite an sich noch ein Anrecht auszugleichen ist. Das Verhalten von F lässt es allerdings als grob unbillig erscheinen, dass überhaupt von den Anrechten von M irg...

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