Rz. 111

Die Ausgleichsreife fehlt auch, soweit sein Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG).

 

Rz. 112

Die Regelung ist die Nachfolgeregelung zu § 1587b Abs. 4 BGB a.F., der den öffentlich-rechtlichen Ausgleich ausschloss, wenn sich die Teilung voraussichtlich nicht zugunsten des Ausgleichsberechtigten ausgewirkt hätte. Von dieser Regelung unterscheidet sie sich aber dadurch, dass die Verweisung in den schuldrechtlichen Ausgleich von Amts wegen erfolgt. Ein Antrag des Ausgleichsberechtigten ist nicht erforderlich.

 

Rz. 113

Der Ausgleich eines Anrechts ist unwirtschaftlich, wenn zwischen den Einbußen, die der Ausgleichspflichtige durch den Versorgungsausgleich erleidet, und dem Nutzen, den der Ausgleichsberechtigte aus dem Ausgleich tatsächlich erzielen kann, ein Missverhältnis besteht, wenn also der Ausgleichsberechtigte aus der Übertragung oder Begründung von Anrechten praktisch keine Vorteile zieht, sich der Ausgleich aufseiten des Ausgleichspflichtigen aber nachteilig auswirkt (wie eigentlich immer).[77]

 

Rz. 114

Den Hauptanwendungsfall hatte bis 2010 derjenige eines Beamten auf Lebenszeit gebildet, der durch den Ausgleich Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten würde, der aber die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§ 50 SGB VI) für den Bezug einer gesetzlichen Rente aber voraussichtlich nicht mehr erfüllen konnte, weil es früher Beamten und Selbstständigen nur dann möglich war, durch freiwillige Beitragsentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung Anrechte zu erwerben, wenn sie zuvor schon die allgemeine Wartezeit erfüllt hatten (§ 7 Abs. 2 SGB VI a.F.). Diese Regelung ist jedoch mit Wirkung vom 11.8.2010 ersatzlos aufgehoben worden.

 

Rz. 115

 

Beispiel

M ist auf Lebenszeit beamteter Lehrer im Land NRW. Eigene Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hat er nie geleistet. Seine Frau F ist kaufmännische Angestellte. Sie hat Versorgungsanrechte nur in der Deutschen Rentenversicherung Westfalen erworben (i.H.v. 4,2844 Entgeltpunkte). Die Ehezeit betrug 48 Monate.

In diesem Fall war früher der Ausgleich der Rentenanrechte von F unwirtschaftlich. Hätte ein Ausgleich stattgefunden, hätte F zwar Rentenanrechte i.H.v. 2,1422 Entgeltpunkten verloren. Diese Punkte wären M auch übertragen worden. M hätte aber aus diesen Anrechten keine Rente erlangen können, weil er die allgemeine Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung von 60 Beitragsmonaten nicht selbst erfüllt hätte, auch durch die übertragenen Anrechte nicht erreicht und auch in Zukunft voraussichtlich nicht mehr hätte erfüllen können. Damit wäre für F ein Nachteil eingetreten, dem keinerlei Vorteil aufseiten des Ausgleichsberechtigten gegenüber gestanden hätte. Die Einzige, die von diesem Versorgungsausgleich profitiert hätte, wäre die Deutsche Rentenversicherung Westfalen gewesen. Das Anrecht von F war deswegen im Ausgleich bei der Scheidung nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG als nicht ausgleichsreifes Anrecht zu behandeln und nicht auszugleichen. Es war vielmehr später – sobald F Leistungen aus diesem Anrecht bezogen hätte – im Wege des Ausgleichs nach der Scheidung auszugleichen.

 

Rz. 116

Heute kann ein Beamter für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit fehlende Beiträge selbst freiwillig einzahlen. Er kann deswegen ohne weiteres die Voraussetzungen dafür schaffen, dass er aus den übertragenen Anrechten eine Altersrente erlangen kann. Allerdings ist diese Form des Ausgleichs immer noch nachteilig für ihn, denn die Übertragung der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung auf ihn führt regelmäßig nicht dazu, dass er aus diesem Anrecht eine Erwerbsunfähigkeitsabsicherung erlangen könnte. Er wird nicht die Voraussetzung für diese erfüllen können, dass aus den letzten fünf Jahren drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt sind, denn die Übertragung der Anrechte führt nicht zur Annahme eigener Pflichtbeitragszeiten auf Seiten des Ausgleichsberechtigten. Das ist für die Bejahung der Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs aber nicht ausreichend, denn § 11 Abs. 2 VersAusglG zeigt, dass es auch in anderen Ausgleichsfällen für den Ausgleichsberechtigten durch den Versorgungsausgleich nur zu einem abgesenkten Risikoschutz kommen kann.

Auch, dass die Anrechte sich für den Beamten aus tatsächlichen Gründen nicht so positiv auswirken wie eine weitergehende Beibehaltung der eigenen Beamtenversorgung reicht nicht aus, um die Unwirtschaftlichkeit zu bejahen. Will er die Übertragung der Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversorgung auf sich nicht, weil er im Gegenzug Anrechte in der Beamtenversorgung verliert, muss er eine Kompensationsvereinbarung mit seinem Ehegatten treffen (siehe oben, § 7 Rdn 70 ff.).

 

Rz. 117

Unwirtschaftlichkeit kann in solchen Fällen nur angenommen werden, wenn der Versorgungsausgleich dazu führt, dass wegen der Übertragung von Anrechten seines Ehegatten ein teilweises Ruhen der Beamtenversorgung eintritt, so dass aus ihr keine Leistungen mehr fließen würden....

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