Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs von Grundrenten-Entgeltpunkten
Leitsatz (amtlich)
Der Ausgleich eines Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) ist für die ausgleichsberechtigte Person nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unwirtschaftlich, wenn diese wegen der besonderen Einkommensanrechnung nach § 97a SGB VI sehr wahrscheinlich keine Rentenzahlungen aus dem übertragenen Anrecht wird erhalten können. In einem solchem Fall ist das Grundrenten-Anrecht als nicht ausgleichsreif anzusehen, so dass ein Wertausgleich bei der Scheidung gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG nicht stattfindet.
Normenkette
SGB VI §§ 97a, 120f Abs. 2 Nr. 3; VersAusglG § 19 Abs. 2 Nr. 3
Tenor
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadt1 vom 13. Oktober 2021 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (vierter Absatz des Tenors) hinsichtlich der Anrechte der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutsche Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer ...) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 5,1993 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der Deutsche Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer ...), bezogen auf den 28.02.2021, übertragen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutsche Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer ...) betreffend den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung mit einem Ausgleichswert von 0,1575 Entgeltpunkten findet im Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. Insoweit bleiben Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten.
Im Übrigen bleibt es bei den Anordnungen des angefochtenen Beschlusses.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.880 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Auf den am 12. März 2021 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers hat das Amtsgericht dessen am XX.XX.1997 geschlossene Ehe mit der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 13. Oktober 2021 - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich durchführt.
Die Antragsgegnerin hat während der gesetzlichen Ehezeit vom 1. August 1997 bis zum 28. Februar 2021 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) u.a. gesetzliche Rentenanrechte bei der weiteren Beteiligten zu 2 erworben. Diese hatte in ihrer Auskunft vom 11. Mai 2021 für das Anrecht der Antragsgegnerin in der allgemeinen Rentenversicherung einen Ehezeitanteil von 10,2332 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 5,1166 Entgeltpunkten mitgeteilt, dabei indes fehlerhaft eine Ehezeit vom 1. September 1997 bis zum 28. Februar 2021 zugrunde gelegt. Gleichwohl hat das Amtsgericht jenes Anrecht der Antragsgegnerin auf der Grundlage dieser Auskunft intern geteilt und zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 5,1166 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto übertragen.
Gegen den ihr am 20. Dezember 2021 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts hat die weitere Beteiligte zu 2 am 28. Dezember 2021 beim Amtsgericht mit der Begründung Beschwerde eingelegt, dass der Entscheidung eine fehlerhafte Auskunft zugrunde liege. Mit Auskunft vom 25. Februar 2022 teilte die weitere Beteiligte sodann mit, dass das intern geteilte Anrecht der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der korrekten Ehezeit vom 1. August 1997 bis zum 28. Februar 2021 einen Ehezeitanteil von 10,3985 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 5,1993 Entgeltpunkten aufweise. Darüber hinaus ist dieser Auskunft zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin noch einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) erlangt hat. Für dieses Anrecht hat die weitere Beteiligte zu 2 einen Ehezeitanteil von 0,3150 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 0,1575 Entgeltpunkten (entspricht bei Zugrundlegung des aktuellen Rentenwerts zum Ende der Ehezeit einer Monatsrente von 5,38 EUR) mitgeteilt.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Ausgleich des Grundrenten-Anrechts mit einem Ausgleichswert von 0,1575 Entgeltpunkten für den Antragsteller unwirtschaftlich im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sein könnte, weil sehr wahrscheinlich sei, dass der Antragsteller aus diesem Anrecht wegen der Einkommensanrechnung nach § 97a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VI keine Rentenzahlungen wird erhalten können. Daher sei - vorbehaltlich eines anderweitigen Vortrags des Antragstellers - auszusprechen, dass insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Im Übrigen sei beabsichtigt, den angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Rentenanrechts der Antragsgegnerin ohne mündliche Erörterung gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dahingehend abzuändern, dass ein Ausgleichswert von 5,1993 Entgeltpunkten zu Gunsten des Antragstellers auf dessen Versicherungsk...