Rz. 258

Für die Wertigkeit des Ausgleichs ist es entscheidend, dass der Ausgleichsberechtigte möglichst genau das Anrecht erhält, das der Ausgleichspflichtige auch hat. Außerdem muss der schon in § 1 Abs. 2 VersAusglG vorgeschriebene Halbteilungsgrundsatz möglichst genau verwirklicht werden. Um das sicherzustellen, stellt § 11 VersAusglG Minimalanforderungen für das für den Ausgleichsberechtigten zu begründende Anrecht auf. Die Norm gestaltet damit die Anforderungen an den internen Ausgleich weiter aus. Sie betrifft den Ausgleich von Anrechten, welche nicht zu den öffentlich-rechtlichen Regelsicherungssystemen (v.a. gesetzliche Rentenversicherung und Beamtenversorgung) gehören; denn bei diesen öffentlich-rechtlichen Versorgungen ist durch deren Ausgestaltung ohnehin sichergestellt, dass der Ausgleichsberechtigte ein gleich ausgestaltetes Anrecht übertragen erhält.

 

Rz. 259

Im Normalfall sind die für das zu begründende Anrecht geltenden Regeln in den für den Versorgungsträger geltenden untergesetzlichen Normen enthalten, also Satzungen, Tarif- oder Betriebsvereinbarungen, den Verträgen, in welchen die Zusage der Versorgung erfolgt ist usw. Diese Unterlagen müssen deswegen vor dem Ausgleich auch eingesehen werden, damit der Ausgleichsberechtigte feststellen kann, ob die dort genannten Regeln den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und ob er ggf. Wahlrechte ausüben kann, welche die Berechnung der Teilung betreffen – und: ob der Versorgungsträger überhaupt bei seiner Berechnung die für das Anrecht geltenden Prinzipien angewendet hat. Hier kommen in der Praxis wegen der Vielfalt der Tarife bei einigen Versorgungsträgern leider relativ häufig Berechnungen vor, die den Regeln eines anderen Tarifs entsprechen als gerade dem, dem der Ehezeitanteil unterliegt.

 

Rz. 260

Ob die in § 11 VersAusglG aufgestellten Anforderungen im Einzelnen eingehalten sind, muss das FamG von Amts wegen prüfen. Soweit es feststellt, dass die vom Versorgungsträger erlassenen (untergesetzlichen) Bestimmungen gegen § 11 VersAusglG verstoßen, wendet es diese nicht an, da sie wegen § 134 BGB unwirksam sind. Damit in einem solchen Fall keine Lücken entstehen, bestimmt § 11 Abs. 2 VersAusglG, dass für das Anrecht des Ausgleichspflichtigen grds. die Regelungen gelten, welche auch für das Anrecht des Ausgleichspflichtigen maßgeblich sind. Ist eine in der Teilungsordnung getroffene Regelung unklar oder mehrdeutig oder verstößt sie in einzelnen Aspekten gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe, muss aber auf jeden Fall vorrangig geprüft werden, ob sich der Kern der getroffenen Regelung im Zuge einer Anpassung an zwingende Vorgaben des VersAusglG aufrechterhalten lässt. Nur wenn das nicht der Fall ist, greift § 11 Abs. 2 VersAusglG ein.[176]

 

Rz. 261

Soweit § 11 VersAusglG nicht eingreift, können die Versorgungsträger für durch den Versorgungsausgleich begründete Anrechte abweichende Regelungen von denjenigen treffen, die für andere Anrechte gelten. So können sie etwa bestimmen, dass die Anrechte ausgebaut werden dürfen, sofern das nicht schon wegen der gesetzlichen Regelungen möglich ist (vgl. § 1b Abs. 5 BetrAVG für Betriebsrenten) oder kürzere Wartezeiten für den Leistungsbezug festlegen. Unzulässig ist dag. v.a. eine Klausel in der Teilungsordnung des Versorgungsträgers, dass für den neuen Vertrag des Ausgleichsberechtigten die aktuellen Berechnungsgrundlagen für Neuversicherungen zur Anwendung kommen. Eine derartige Regelung widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz und verstößt gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG.[177]

[176] BGH FamRZ 2015, 1869.
[177] OLG Koblenz FamRZ 2016, 375; OLG Nürnberg FamRZ 2016, 819; OLG Saarbrücken v. 6.7.2015 – 6 UF 16/15; OLG Stuttgart FamRZ 2015, 584; OLG Schleswig FamRZ 2014, 1113; a.A. OLG Karlsruhe v. 20.6.2016 – 5 UF 167/15 für fondsgebundene Anteile.

1. Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts

 

Rz. 262

Das für den Ausgleichsberechtigten begründete Anrecht muss ein solches i.H.d. Ausgleichswerts sein (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG). Damit meint das Gesetz anknüpfend an die Definition des § 1 Abs. 2 VersAusglG den halben Ehezeitanteil abzgl. der hälftigen Kosten für den internen Ausgleich (vgl. § 13 VersAusglG).

 

Rz. 263

Wie allerdings der hälftige Ausgleich zu verwirklichen ist, lässt das Gesetz bewusst offen. Im Ergebnis stehen dafür deswegen mehrere Wege zur Verfügung:[178] In Betracht kommen die Teilung des Deckungskapitals, die Teilung der Bezugsgröße oder des Rentenbetrags und die Aufteilung des Deckungskapitals in der Weise, dass gleich hohe Rentenbeträge entstehen. Insofern ist zu beachten, dass diese unterschiedlichen Wege zu unterschiedlichen Rentenhöhen führen. Sofern Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, also etwa Wahlrechte in Bezug auf die Art der Teilung vorgesehen sind, sollte deswegen darauf geachtet werden, dass ein Ausgleichsweg bestritten wird, der dem eigenen Mandanten möglichst günstig ist. Mit rechtlichen Mitteln erzwungen werden kann eine bestimmte Methode des Ausgleichs nicht; denn bei allen drei Methoden handelt es sich um eine Halbteilu...

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