Prof. Dr. Martin Henssler, Christiane Pickenhahn
Rz. 2
Bei der Vermittlung von Erwerbstätigkeit über Internetplattformen wird teilweise versucht, eine Kategorisierung nach verbraucherbezogenen sowie unternehmensbezogenen Geschäftsmodellen vorzunehmen (Krause, DJT 2016, B 99). Das erste Modell umfasst die Vermittlung analoger sowie digitaler Dienstleistungen unmittelbar an den Verbraucher. Hier reicht die Palette von der Vermittlung einfacher Tätigkeiten (durchgeführt z.B. durch eine Putzkraft, Einkaufshilfe, Fahrdienst, Techniker) bis hin zu höheren Diensten wie die verbraucherbezogene Online-Rechts- oder Gesundheitsberatung.
Rz. 3
Unter die unternehmensbezogenen Modelle fallen Plattformen, die Unternehmen ein Outsourcing von Arbeiten ermöglichen, darunter mittlerweile besonders beliebt das Crowdworking. Crowdworking oder auch Crowdsourcing kennzeichnet sich nicht nur dadurch, dass bestimmte Arbeiten durch den Auftraggeber (Crowdsourcer) über eine Internetplattform fremdvergeben werden, sondern auch dadurch, dass sich der Auftrag üblicherweise an eine unbestimmte Menge von Menschen (die "Crowd") wendet.
Eine andere Unterscheidung differenziert anhand des Leistungsortes, nämlich nach ortsabhängiger oder ortsunabhängiger Leistungserbringung. Während ortsabhängige Arbeiten als "Gigwork" bezeichnet werden, wird für ortsunabhängige Arbeiten der Begriff des "Cloudwork" verwendet. Synonym zum Cloudwork wird insbesondere in der juristischen Literatur aber auch häufig der übergeordnete Begriff des Crowdworking (im engeren Sinne) verwendet (zu den Begrifflichkeiten auch Henssler/Roth/Pickenhahn/Rehm/Wewetzer, Vergabenummer 18358RU, Gutachten Nr. 2, Enquete-Kommission I Formen von Erwerbstätigkeit und Anpassungsbedarf des Arbeitnehmer- und Betriebsbegriffs unter arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, 2019, S. 7 ff, abrufbar unter https://www.landtag.nrw.de/files/live/sites/landtag/files/WWW/I.A.1/EK/17._WP/EK_I/Gutachten %202 %20IWP%20K%C3 %B6ln.pdf).
Innerhalb des Cloudwork/Crowdworking (im engeren Sinne) wird zudem nach dem Umfang (komplexere Tätigkeiten oder Mikrotasks, letztere auch unter dem Begriff Clickworking bekannt) und der Art der Arbeiten (Design, Testing etc.) sowie danach, ob es sich um Wettbewerbsmodelle oder um eine Massenvergabe handelt, unterschieden (Däubler/Klebe, NZA 2015, 1032, 1033). Häufig findet kein direkter Austausch zwischen Crowdworker und Crowdsourcer statt, sodass diese jeweils füreinander anonym bleiben.
Rz. 4
Das Fehlen einer einheitlichen Definition erschwert Einschätzungen zur Verbreitung, sodass sich das globale Phänomen für Deutschland kaum zuverlässig quantifizieren lässt. So clusterte eine erste empirische Studie aus dem Jahr 2016 die gängigen Plattformen in fünf Gruppen: Microtask-, Marktplatz-, Design-, Testing- und Innovationsplattformen und zeigte, dass für die Mehrheit (79 %) in allen Gruppen (95 % bei Mikrotaskplattformen) Crowdwork nur eine Nebentätigkeit darstellt (Leimeister/Durward/Zogaj, Crowd Worker in Deutschland, Studie der Hans Böckler Stiftung, 2016, S. 48).
Auch wenn konkrete Beschäftigtenzahlen zur Plattformarbeit aufgrund der unklaren Eingrenzung mit Vorsicht zu genießen sind, gehen Schätzungen davon aus, dass 2022 ca. 28 Millionen Menschen über digitale Plattformen tätig werden und die Zahl bis 2025 auf ca. 43 Millionen steigt. Zwar wird der überwiegende Teil der Plattformtätigen selbständig tätig, nach Schätzungen werden aber rund 5,5 Millionen Plattformarbeiter fälschlicherweise als selbständig eingestuft. Die Zunahme lässt sich auch an den immens gestiegenen Umsätzen der Plattformwirtschaft in der EU erkennen. So stiegen die Umsätze zwischen 2016 und 2020 beinahe auf das Fünffache, von schätzungsweise 3 Milliarden Euro auf etwa 14 Milliarden Euro.
Hochrechnungen aus 2019 ergaben, dass in Deutschland bis zu 4 % der Bevölkerung ab 15 Jahre Crowdwork betreiben. Bis zu 9,2 % können sich dies vorstellen (Serfling, Crowdworking monitor no. 2. v. Discussion Papers in Behavioural Sciences and Economics [5].2019) Nach dem COL-LEEM-Survey der Europäischen Kommission (KOM) von 2020 haben im Jahr 2018 bereits 12 % der erwerbsfähigen Personen in Deutschland schon einmal Plattformarbeit ausgeübt.