Rz. 118
Der Geschädigte hat keinen Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer (Direktanspruch). Er kann den Versicherer also nicht unmittelbar verklagen. Anders ist es in folgenden Fällen:
a) Gesetzlich geregelte Direktansprüche
Rz. 119
Ein Direktanspruch existiert nur – was die Überschrift des entsprechenden Abschnitts des VVG zeigt – in der Pflichtversicherung (vgl. Rdn 139 f.) unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 Nr. 1–3 VVG, also bei Versicherungspflicht nach dem PflVG (Kfz-Unfälle), unter definierten insolvenzrechtlichen Bedingungen oder bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers.
b) Feststellungsklage des Geschädigten
Rz. 120
Lediglich in Ausnahmefällen kann der Geschädigte Feststellungsklage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, wenn dieser seine Eintrittspflicht abgelehnt hat und der Versicherungsnehmer zur Wahrung seiner Rechte nichts unternimmt mit der Folge, dass der Geschädigte (z.B. aufgrund drohender Verjährung des Deckungsanspruches) Gefahr läuft, den Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt zu verlieren. In jenem Verfahren wird aber nur der Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers, nicht jedoch die Haftpflichtfrage geklärt.
c) Zwangsvollstreckung
Rz. 121
Der Geschädigte kann aufgrund eines Titels gegen den Schädiger (Versicherungsnehmer) dessen Deckungsanspruch gegen den Versicherer pfänden und sich überweisen lassen. Das Ergebnis des Haftpflichtprozesses bindet den Versicherer in dem Rahmen, den das Trennungsprinzip (vgl. Rdn 101 ff.) hierfür vorgibt. Deckungsrechtliche Einwendungen und daraus resultierende Leistungsfreiheiten bleiben dem Versicherer in diesem Umfang erhalten.
d) Abtretung
Rz. 122
Gem. der Gemeinsamen Bestimmungen – A(GB) – zu Teil A Ziff. 1 S. 2 AVB/Ziff. 28 S. 2 AHB ist auch bei noch nicht festgestellten Ansprüchen die Abtretung des Freistellungsanspruches an den Geschädigten zulässig. Nach § 108 Abs. 2 VVG ist dies nur individualvertraglich abänderbar.
Rz. 123
Tritt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf Freistellung von der Haftpflichtverbindlichkeit an den Geschädigten ab, wandelt sich der Freistellungsanspruch nach wohl h.M. in einen Zahlungsanspruch. Der Dritte kann den Versicherer unmittelbar verklagen. Würde die Abtretung nur zur außergerichtlichen Geltendmachung berechtigen, ergäbe sie keinen Sinn, denn die Haftpflichtversicherer korrespondieren vorprozessual ohnehin mit dem Geschädigten. Zudem muss ein nicht erfüllter, durch Abtretung erlangter Anspruch gerichtlich verfolgbar sein.
Rz. 124
Die Abtretung durchbricht das Trennungsprinzip (vgl. Rdn 101 ff.). Der Versicherer kann gegenüber dem Geschädigten sowohl haftungsrechtliche als auch deckungsrechtliche Einwendungen erheben, die ggf. in einem kombinierten Haftpflicht- und Deckungsprozess geklärt werden.
Rz. 125
In Fällen ohne deckungsrechtliche Fragen ist das Vorgehen aus abgetretenem Recht für den Anspruchsteller meist weniger problematisch. Er gewinnt den Versicherungsnehmer, der ohne Abtretung Prozesspartei wäre, als Zeugen. Glaubt das Gericht dem als Zeugen benannten Versicherungsnehmer jedoch nicht, ist nichts bewiesen. Wäre er Prozesspartei, hätte das Gericht hingegen dieselben Angaben als Geständnis gem. § 288 Abs. 1 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen.
Rz. 126
Die Abwehr des Haftpflichtanspruchs kann für den Versicherer schwieriger werden, z.B. weil die Beschaffung der Sachverhaltsinformationen inhaltlich und zeitlich komplizierter wird. Ein nicht mehr unmittelbar von dem Anspruch betroffener Versicherungsnehmer könnte sich nicht angesprochen fühlen. Gleichwohl hat er seinem Versicherer nach B 3 Ziff. 3.2 AVB/Ziff. 25.2 AHB die Informationen zu liefern und ihn bei der Schadensabwehr zu unterstützen. Der vom Versicherungsnehmer gerade beabsichtigte Zweck, sich durch Abtretung aus dem Streit herauszunehmen, z.B. wegen seiner Geschäftsbeziehung zum Anspruchsteller, wird also nicht erreicht.
Rz. 127
Verliert der Geschädigte sein gegen den Versicherer geführtes Verfahren, ist fraglich, ob er ein weiteres Verfahren gegen den Versicherungsnehmer führen kann und streitig, ob der Versicherungsnehmer dann noch deckungsrechtliche Ansprüche gegen seinen Haftpflichtversicherer hat:
Rz. 128
Dem Geschädigten kann die erneute Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers nur bei Rechtskrafterstreckung verwehrt sein. § 124 Abs. 1 und 2 VVG regelt die Rechtskrafterstreckung nach § 124 Abs. 3 VVG ausdrücklich nur für Fälle des § 115 Abs. 1 VVG (vgl. Rdn 139). Im Umkehrschluss findet in anderen Fällen keine Rechtskrafterstreckung statt.
Rz. 129
Zu einer Bindungswirkung gelangt man gleichwohl, wenn die Auslegung ergibt, dass die Abtretung an E...