Rz. 62
Zur Leistungspflicht im Rahmen des Rechtsschutzanspruchs gehört auch die Prozessführung auf Kosten des Versicherers. Er hat nach A 1 Ziff. 4.2. Abs. 2 AVB/Ziff. 5.2 Abs. 2 AHB eine Prozessvollmacht. Sie besteht für Mitversicherte (vgl. Rdn 16 ff.) erneut nicht ohne Weiteres. Allerdings dürfte es meist in deren wirtschaftlichem Interesse liegen, die Verfahrensführung dem Versicherer zu überlassen.
Der Versicherungsnehmer bleibt Partei des Haftpflichtprozesses, den der Versicherer jedoch steuert, indem er gem. B 3 Ziff. 3.2.2 c AVB/Ziff. 25.5 S. 2 AHB den Rechtsanwalt für den Versicherungsnehmer auswählt und beauftragt. Auch im Prozess hat der Versicherer ein umfassendes Entscheidungsrecht (vgl. Rdn 60), allerdings die Interessen seines Versicherungsnehmers so zu wahren wie ein diesen vertretender Rechtsanwalt. Problematisch kann das für den Rechtsanwalt sein, der formal gesehen den Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess vertritt, aber über den Versicherer mandatiert wurde. Er muss seinen Mandanten hinsichtlich des Haftpflichtschadens beraten und auch zum Versicherungsschutz belehren oder aber darüber aufklären, dass er versicherungsrechtlich keine Beratungen leisten kann, um sich in keinen Interessenkonflikt zu begeben.
Rz. 63
Bisweilen verzichten Betriebshaftpflichtversicherer bei einem im Zusammenhang mit dem Schadensfall gegen den Versicherungsnehmer eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren aus Kostengründen darauf, für den Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt zu bestellen. Sie weisen ihn an, den Versicherer informiert zu halten oder machen Vorgaben, die der Versicherungsnehmer selbst bei Gericht vortragen soll. Der Versicherungsnehmer hat aber auch im selbstständigen Beweisverfahren Anspruch auf Rechtsschutz gem. § 100 VVG bzw. A 1 Ziff. 4.1 S. 1 AVB/Ziff. 5.1 S. 1 AHB, sofern hierin bereits eine ernsthafte Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs (vgl. Rdn 58) zu sehen ist. Zweifelhaft ist, ob der Versicherer diesen Rechtschutz auch durch den Einsatz eigener Mitarbeiter gewähren kann.
Rz. 64
Die Kosten eines ohne den Willen des Versicherers beauftragten oder gar die Kosten eines weiteren, vom Versicherungsnehmer eigenmächtig beauftragten Rechtsanwaltes muss der Versicherer nur in Ausnahmefällen tragen – etwa wenn die Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers durch den Versicherer nicht sichergestellt war oder bei einem Interessenkonflikt.
Ein im Haftpflichtschaden unmittelbar durch den Versicherungsnehmer angesprochener Rechtsanwalt muss nach bestehenden Haftpflichtversicherungsverträgen fragen und über die Befugnisse des Versicherers bzw. die versicherungsrechtlichen Pflichten des Versicherungsnehmers aufklären. Dazu gehört auch der Hinweis, dass es außergerichtlich für Prüfung und Abwehr der Forderungen keiner anwaltlichen Vertretung bedarf, weil der Versicherer diese Bearbeitung vornimmt. Bei bereits zugestellter Klage muss der Anwalt auf die Auswahl des Prozessbevollmächtigten durch den Versicherer verweisen.
Rz. 65
Die Widerstandsklausel des A 1 Ziff. 5.8 AVB/Ziff. 6.8 AHB kann eine Rolle spielen, wenn eine vom Versicherer verlangte Erledigung des Haftpflichtanspruchs am Versicherungsnehmer scheitert, etwa weil dieser dem beauftragten Anwalt andere Weisungen erteilt, die dieser aus dem Mandatsverhältnis heraus befolgen muss. Der Versicherer hat dann den hierdurch entstehenden Mehraufwand nicht zu tragen.