Rz. 206
Im Rahmen des § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Wertermittlung. Der Wertermittlungsanspruch steht selbstständig neben dem Anspruch auf Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB und ist vom Berechtigten gesondert geltend zu machen.
Rz. 207
Auch wenn ein Kaufvertrag über ein Nachlassgrundstück vorgelegt wird, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens verlangt werden, weil der Kaufvertrag über ein Nachlassgrundstück für eine sachgerechte Bewertung des Objekts allein nicht ausreicht. Aus der Rechtsprechung des BGH, wonach Verkaufserlöse maßgebend sein können, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall tatsächlich erzielt wurden, ergibt sich nichts anderes. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die 3. Stufe einer pflichtteilsrechtlichen Stufenklage, d.h. auf die Frage, auf welcher Bewertungsgrundlage der Pflichtteilsanspruch zu errechnen ist. Ein nach § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einzuholendes Sachverständigengutachten dient letztlich nicht der Beantwortung dieser Frage, sondern vielmehr der vorläufigen Unterrichtung des Pflichtteilsberechtigten, dem die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtert werden soll, etwa eine Einschätzung zu der Frage, ob der tatsächlich erzielte Kaufpreis dem Verkaufswert entspricht oder ob besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten. Auch wenn nur ein Miteigentumsanteil sich im Nachlass befindet, ist grundsätzlich vom entsprechenden Wert des Gesamtobjekts auszugehen – also ohne Abschlag wegen schlechter Verwertbarkeit eines Bruchteilsmiteigentumsanteils.
Rz. 208
Nach der BGH-Rechtsprechung besteht ein Anspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben bzw. Erben auf Wertermittlung gegen den Beschenkten analog § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Allenfalls aus § 242 BGB kann sich auch ein Anspruch auf Wertermittlung ergeben, wenn der Pflichtteilsberechtigte deren Kosten trägt.
Rz. 209
Einsicht in ein Bewertungsgutachten: Wurde ein Wertgutachten eingeholt, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Einsicht in das betreffende Gutachten aus §§ 810, 811 BGB (siehe zum Auskunftsanspruch im Pflichtteilsrecht § 17 Rdn 245 ff.). Der Anspruch wird nicht von § 2314 BGB verdrängt, sondern der Anspruch aus § 810 BGB steht neben dem Anspruch aus § 2314 BGB. Ziel des Auskunftsanspruchs aus § 2314 BGB ist die Möglichkeit der Bezifferung der Pflichtteilsforderung, was dem Pflichtteilsberechtigten oft nur auf Grundlage eines Bestandsverzeichnisses möglich ist. Im Bestandsverzeichnis müssen jedoch detaillierte Wertangaben nicht zwingend vorhanden sein, so dass der Pflichtteilsberechtigte über seinen Anspruch aus § 2314 BGB hinaus zudem auch noch den Anspruch aus § 810 BGB geltend machen können muss.
Ein rechtliches Interesse setzt voraus, dass die Einsichtnahme der Förderung, Erhaltung oder Verteidigung einer Rechtsposition dient. Hierbei genügt jede Rechtsposition. Dies kann auch die Förderung der Pflichtteilsansprüche sein.
Soweit die Vorlage eines Sachverständigengutachtens über den "Wert aller im Nachlass befindlichen beweglichen und unbeweglichen Sachen" verlangt würde, wäre ein solcher Antrag inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und daher unzulässig.