Rz. 181
Für die Herbeiführung des Todes sieht § 253 Abs. 2 BGB keinen Schmerzensgeldanspruch vor. Hat der Verletzte noch eine gewisse Zeit gelebt, kann das einen Schmerzensgeldanspruch begründen (Huber, NZV 1998, 345). Ein nur kurzes Leiden wegen nur kurzer Überlebenszeit wirkt sich verständlicherweise schmerzensgeldmindernd aus (BGH VersR 1976, 660; OLG Hamm NZV 1997, 233; OLG Koblenz zfs 2003, 73 ff.). Das gilt umso mehr, wenn der Verletzte aus einer unfallbedingten Bewusstlosigkeit gar nicht mehr erwacht ist, also seine Schmerzen und seinen Zustand nicht mehr bewusst erleben konnte.
Rz. 182
Dabei setzt die Zubilligung von Schmerzensgeld aber nicht stets voraus, dass der Geschädigte die ihm zugefügten Verletzungen überhaupt empfunden hat. Vielmehr kann eine ausgleichspflichtige immaterielle Beeinträchtigung gerade darin liegen, dass die Persönlichkeit ganz oder weitgehend zerstört ist (BGH NJW 1998, 2741 = zfs 1998, 330 = DAR 1998, 351). Je schneller jedoch der Tod eingetreten ist, umso weniger wird ein Schmerzensgeld in Betracht kommen (OLG München NZV 1997, 440). Dann ist die Zahlung eines Schmerzensgeldes oft nur ein symbolischer Akt der Wiedergutmachung (OLG Düsseldorf VersR 1989, 1203).
Rz. 183
In derartigen Fällen stellt sich die Frage, ob der das Bewusstsein des Verletzten auslöschenden Körperverletzung gegenüber dem alsbald und ohne zwischenzeitliche Wiedererlangung der Wahrnehmungsfähigkeit eintretenden Tod überhaupt noch die Bedeutung einer abgrenzbaren immateriellen Beeinträchtigung zukommt. Deshalb kann ein Schmerzensgeldanspruch selbst bei schwersten Verletzungen entfallen, wenn diese bei durchgehender Empfindungslosigkeit des Geschädigten alsbald den Tod zur Folge gehabt haben und dieser nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere der Kürze der Zeit zwischen Schadensereignis und Tod sowie nach dem Ablauf des Sterbevorganges derart im Vordergrund steht, dass eine immaterielle Beeinträchtigung durch die Körperverletzung als solche nicht fassbar ist (KG NZV 2002, 38).
Rz. 184
Die Bemessung des Schmerzensgeldes wegen einer Körperverletzung, an deren Folgen der Verletzte alsbald verstirbt, erfordert jedoch stets eine Gesamtbetrachtung der immateriellen Beeinträchtigung. Dabei sind insbesondere Art und Schwere der Verletzungen, das hierdurch bewirkte Leiden und dessen Wahrnehmung durch den Verletzten, wie aber auch der Zeitraum zwischen Verletzung und Eintritt des Todes zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 2741 = zfs 1998, 330 = DAR 1998, 351).
Rz. 185
Das wirkt sich insbesondere bei den so genannten Hirnschadensfällen aus, die dadurch gekennzeichnet sind, dass durch ein Verschulden des Schädigers die Persönlichkeit des Verletzten vollständig oder weitgehend zerstört worden ist. In solchen Fällen muss der Geschädigte mit der Zerstörung seiner Persönlichkeit leben und erhält ein entsprechendes Schmerzensgeld.
Rz. 186
Anders ist das aber, wenn der Verletzte in ein künstliches Koma versetzt wurde und aus diesem nicht mehr erwacht, sondern verstirbt. Ein solches künstliches Koma stellt eine Heilmaßnahme dar und hat mit der Frage der Zerstörung einer Persönlichkeit nichts zu tun. In solchen Fällen kommt der Dauer der verletzungsbedingten Beeinträchtigung bis zum Tode eine nur geringere Bedeutung für die Höhe des Schmerzensgeldes zu. Immerhin können aber gleichwohl auch in solchen Fällen ganz erhebliche Schmerzensgelder fällig werden. So wurde z.B. für ein Unfallopfer, das 23 Tage nach dem Unfall verstorben ist und sich bis zu diesem Tage in einem künstlichen Koma befand, ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 DM zugesprochen (OLG Braunschweig DAR 1999, 404). Jüngst hat allerdings der BGH (v. 2.4.2019 – VI ZR 13/18 – zfs 2019, 558) einen Schmerzensgeldanspruch bei einem durch lebenserhaltende Maßnahmen ermöglichten Weiterleben abgelehnt. Begründet hat der BGH diese Auffassung mit dem Argument, dass das Weiterleben (im entschiedenen Fall durch Fortsetzung einer künstlichen Ernährung) keinen Schaden darstellen könne gegenüber der Option des Todes (ohne lebensverlängernde Maßnahmen). Auch diese Entscheidung macht erneut die erhebliche Problematik der rechtlichen Bewertung derartiger Möglichkeiten moderner Medizin "zwischen Leben und Tod" deutlich.
Rz. 187
Soweit Zweifel daran bestehen, ob und inwieweit der Verletzte noch bewusst Schmerzen erlebt hat, trägt der Anspruchsteller (z.B. der Erbe) die Beweislast. In solchen Fällen kann es erforderlich sein, den Namen des/der Rettungssanitäter zu erfragen, die den Transport ins Krankenhaus durchgeführt haben. Sie können zu dieser Frage ggf. etwas aussagen.
Rz. 188
Grundsätzlich setzt die Zubilligung eines Schmerzensgeldes allerdings nicht stets voraus, dass der Geschädigte die ihm zugefügten Verletzungen tatsächlich empfunden hat. Allerdings kann der Anspruch auf Schmerzensgeld zu verneinen sein, wenn die Körperverletzung nach den Umständen des Falles gegenüber dem alsbald eintretenden Tod keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die aus Billigkeits...