Rz. 234
Ebenso wie Eltern bei der Willensbildung in der Erbengemeinschaft mehrere Kinder vertreten können (siehe Rdn 224 ff.), ebenso können sie für diese auch rechtsgeschäftlich handeln und brauchen dafür grundsätzlich keinen Ergänzungspfleger, wenn sie diese Rechtsgeschäfte mit Außenstehenden tätigen. Es handelt sich bei ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen um gleichgerichtete Erklärungen jedes Miterben, auch des Minderjährigen, an den Geschäftsgegner, so dass § 181 BGB unanwendbar ist (siehe Rdn 182). Gehört der Minderjährige zur überstimmten Minderheit, so wird er nach der hier bevorzugten Ansicht von der Erbenmehrheit gesetzlich vertreten, so dass er dann ebenfalls keines weiteren Vertreters bedarf. Aber die überstimmten Miterben, bzw. die gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Miterben, sollten bei dem Vertragsschluss gemäß § 2038 BGB mitwirken (siehe Rdn 232). Wenn sie es nicht tun, so werden sie von der Erbenmehrheit vertreten (siehe Rdn 233).
Rz. 235
Ist der Minderjährigen selbst Vertragspartner der Erbengemeinschaft, will er z.B. von der Erbengemeinschaft eine Eigentumswohnung, die sich im Nachlass befindet, mieten, so hat er sich in Abstimmung zu enthalten (siehe Rdn 230). Ebenso verhält es sich mit seinen Eltern als gesetzliche Vertreter (siehe Rdn 230). Wird die Vermietung von der verbliebenen Erbenmehrheit beschlossen, so wird der Minderjährige von der Erbenmehrheit beim Abschluss des Mietvertrags auf der Vermieterseite vertreten. Obgleich der Minderjährige sowohl auf der Vermieter- wie auf der Mieterseite auftritt, ist § 181 BGB nicht anwendbar, weil weder der Minderjährige noch seine Eltern als vertragschließende Vermieter auftreten. Vermieter sind die gesamthänderisch verbundenen Miterben, kurz: die Erbengemeinschaft, die ihren Willen durch die Mehrheit der Personen, die bei der Abstimmung mitwirken durften, gebildet hat. Nach außen handelt sie durch alle Miterben. Man kann einwenden, die Erbenmehrheit handle auch als Vertreter der Minderheit, sogar derjenigen, die an der Abstimmung nicht teilnehmen durften, deshalb sei § 181 BGB anwendbar, es müsste im oben genannten Beispiel nach außen für den Minderjährigen ein Ergänzungspfleger auftreten. Dann wären ferner stets beim Handeln der Erbengemeinschaft §§ 181, 1629, 1795 BGB anwendbar, wenn eine der Vorschriften auf ein Mitglied der Erbengemeinschaft anwendbar ist. Entsprechend bedürfte es dann jeweils der Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Minderjährigen, der (auch) Vertragspartner ist.
Beispiel
Der Erbengemeinschaft gehören 4 Miterben zu je ¼ an. Ein Miterbe ist 16 Jahre alt, sein gesetzlicher Vertreter sind seine Eltern. Zum Nachlass gehört ein Grundstück, das der mütterliche Großvater des Minderjährigen gerne kaufen würde. Die Mehrheit der Miterben beschließt, – gegen den Willen des Minderjährigen, vertreten durch seine Eltern – das Grundstück umgehend an den Großvater zu verkaufen.
Rz. 236
Die Vertretung des minderjährigen Miterben bei Rechtsgeschäften mit einem Verwandten. Grundsätzlich können Eltern ihr Kind nicht vertreten, wenn das Rechtsgeschäft mit einem Verwandten des gesetzlichen Vertreters in gerader Linie abgeschlossen werden soll (§§ 1629, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Es bedarf also nach dem Wortlaut der Vorschrift der Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) für den Minderjährigen. Dieser schließt als Vertreter des Minderjährigen den Kaufvertrag und den Auflassungsvertrag mit dem Großvater. Beide Verträge bedürfen der familienrechtlichen Genehmigung gemäß §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 BGB. Wirksam wird die Genehmigung des Familiengerichts erst, wenn sie vom Ergänzungspfleger, dem Vertragspartner, also dem Käufer, mitgeteilt ist (§ 1829 Abs. 1 S. 2 BGB).
Teilt im Beispiel der Pfleger die Ansicht der Eltern des Minderjährigen, dass das Grundstück nicht verkauft werden soll, so beantragt er keine familiengerichtliche Genehmigung. Hätte er sie denn doch beantragt und erhalten, so unterlässt er die Mitteilung des gerichtlichen Genehmigungsbeschlusses nach § 1829 BGB, was keinerlei Schadensersatzansprüche gegen ihn oder den von ihm vertretenen Minderjährigen zur Folge hat. Der Verkauf aus dem Nachlass – und folglich auch der Eigentumswechsel – sind dann gescheitert. Die (wohl noch) h.M. gewährt dem minderjährigen Miterben also aufgrund des Erfordernisses der familiengerichtlichen Genehmigung (faktisch) eine Sperrminorität. Spätestens das Grundbuchamt trägt nämlich – entsprechend der wohl noch h.M. – wegen des fehlenden Nachweises (§ 29 GBO) der Mitteilung der familiengerichtlichen Genehmigung an den Großvater (§ 1829 BGB) keinen Eigentumswechsel im Grundbuch ein.
Übersieht der Notar, bei dem die Mehrheit der Miterben auf der (Verkäufer-) Seite erscheint (ohne dass ein Ergänzungspfleger für den überstimmten Minderjährigen bestellt worden wäre), das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Mutter des Kindes und dem Großvater, z.B. weil sie unterschiedliche Namen führen, so wäre die Auflassung unwirksam (wenn man ...