Rz. 16
Die Rechtmäßigkeit aller zulässigen Streikformen beurteilt die Rechtsprechung mangels gesetzlicher Regelungen anhand folgender Kriterien:
Rz. 17
Zunächst muss es sich um eine von der Gewerkschaft organisierte oder zumindest geleitete kollektive Arbeitsniederlegung handeln. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Rechtmäßigkeit des Streiks nicht darauf an, ob er von einer Gewerkschaft initiiert oder aber von ihr aufgenommen wurde. Entscheidend ist nur, dass es sich um die Ausübung von Koalitionsrechten handelt.
Rz. 18
Hiervon muss eine Arbeitskampfmaßnahme unterschieden werden, die auf dem Entschluss einer zufälligen, vorübergehend gebildeten Arbeitnehmergruppe (Ad-Hoc-Koalition) basiert. Sie kann nicht Grundlage eines Streiks sein, sondern allenfalls gemeinschaftlicher Arbeitskampfmaßnahmen im weiteren Sinne.
Rz. 19
Für die Rechtmäßigkeit des Streiks kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die nach der Satzung der Gewerkschaft erforderlichen Formalien eingehalten worden sind. Deshalb ist auch der satzungswidrige Streik nicht zwingend arbeitskampfwidrig.
Rz. 20
Weitere Voraussetzung eines rechtmäßigen Streiks ist die Beachtung der sog. Friedenspflicht. Jeder Tarifvertrag dient dazu, die Arbeitsbedingungen für eine bestimmte Zeitdauer festzuschreiben und weitere Auseinandersetzungen hierüber zu verhindern. Nur so ist dem Arbeitgeber die ungestörte Produktion möglich. Aus diesem Grunde beinhaltet jeder Tarifvertrag – immanent – die so genannte relative Friedenspflicht, die den Tarifpartnern für die Laufzeit des Tarifvertrages den Arbeitskampf über seine Inhalte verbietet; unbenommen bleibt der Gewerkschaft jedoch auch während dieser Zeit der Anfang zum Unterstützungsstreik.
Rz. 21
Eine verstärkte Form der relativen Friedenspflicht ist die absolute Friedenspflicht, die ausdrücklich vereinbart werden muss. Sie untersagt den Tarifparteien für die Vertragslaufzeit jede Form von Arbeitskampf – unabhängig davon, ob das Streikziel bereits Gegenstand von Tarifbestimmungen ist oder nicht.
Rz. 22
Die Gewerkschaft muss mit dem Streik die Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele (vgl. hierzu § 1 TVG) bezwecken; ein nicht tarifbezogener Streik ist rechtswidrig.
Rz. 23
Bei der Einleitung und Durchführung des Streiks ist zwingend der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Deshalb darf ein Streik – auch ein Warnstreik – nur als ultima ratio eingesetzt werden, wenn die friedlichen Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages gescheitert sind und alle weniger einschneidenden Mittel zuvor ausgeschöpft wurden.
Rz. 24
Zudem gebietet die Verhältnismäßigkeit den Gewerkschaften, übermäßige Schäden von dem Arbeitgeber, Dritten oder dem Gemeinwohl abzuwenden. Hierzu muss sie – trotz der Arbeitsniederlegung – dafür Sorge tragen, dass Not- und Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, mit denen Anlagen und Betriebsmittel in einem Zustand verbleiben, der die Wiederaufnahme der Arbeit nach der Beendigung des Arbeitskampfes ermöglicht. Lässt die Gewerkschaft den erforderlichen Notdienst während des Arbeitskampfes nicht zu, ist der gesamte Streik rechtswidrig.