Rz. 10
Bei dem Streik handelt es sich um die praktisch bedeutsamste oder zumindest bekannteste Arbeitskampfmaßnahme, mit der Gewerkschaften Druck auf Arbeitgeber ausüben.
1. Erscheinungsformen
Rz. 11
Da es den Tarifpartnern freisteht, ihre Arbeitskampfmittel selbst zu wählen, haben die Gewerkschaften verschiedene Streikformen entwickelt:
Rz. 12
Bekannt sind zunächst die so genannten Warnstreiks, bei denen die Arbeit stets nur für einen kurzen Zeitraum niedergelegt wird. Hierdurch wollen die Arbeitnehmer ihre Bereitschaft zum Dauerstreik deutlich machen. Warnstreiks sind nach der Rechtsprechung zulässige Arbeitskampfmittel der Arbeitnehmer.
Rz. 13
Unzulässig ist hingegen der sog. "Bummelstreik" bzw. "Dienst nach Vorschrift". Bei dieser Streikform legen die Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht nieder, sondern setzen den Arbeitgeber durch die Art ihrer Arbeitsleistung unter Druck, indem die Arbeit bspw. besonders langsam ausgeübt wird. In diesen Fällen verlieren die Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch grundsätzlich nicht, da es sich nur um eine Schlechtleistung und keine Arbeitsniederlegung handelt. Da durch derartige Kampfmaßnahmen allein der Arbeitgeber geschädigt wird, sind diese unzulässig.
Rz. 14
Gleiches gilt für die übertriebene Beachtung von Vorschriften, die allein auf eine Störung der Arbeitsabläufe abzielt, oder den sog. "Bleistiftstreik". Hierbei erbringen die Arbeitnehmer zwar ihre Tätigkeit, unterlassen jedoch die Dokumentation, die für die Abrechnung ihrer Leistungen gegenüber Dritten erforderlich ist.
Rz. 15
Zulässig sind wiederum Teilstreiks, bei denen die Gewerkschaften zwar – anders als beim so genannten Voll- oder Flächenstreik – nur einen begrenzten räumlichen/betrieblichen Kampfrahmen wählen, und dabei besonders sensible Punkte der Produktionsabläufe bestreiken. Diese "Nadelstichmaßnahmen" werden von der Rechtsprechung unter dem Stichwort "neue Beweglichkeit" zusammengefasst. Sie sind heute sehr häufig, da die Gewerkschaften nur geringe finanzielle Unterstützungsleistungen an ihre Mitglieder zahlen müssen, aber einen größtmöglichen Druck auf die Arbeitgeber erzielen.
Eine erst seit dem Jahr 2007 anerkannte zulässige Streikform ist der so genannte Unterstützungsstreik (vgl. Rdn 8). Er soll den bestreikten Arbeitgeber veranlassen, auf den tarifschließenden Arbeitgeber einzuwirken bzw. diesen durch eine Unterbrechung der Zulieferungen mittelbar treffen.
2. Voraussetzungen des rechtmäßigen Streiks
Rz. 16
Die Rechtmäßigkeit aller zulässigen Streikformen beurteilt die Rechtsprechung mangels gesetzlicher Regelungen anhand folgender Kriterien:
Rz. 17
Zunächst muss es sich um eine von der Gewerkschaft organisierte oder zumindest geleitete kollektive Arbeitsniederlegung handeln. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Rechtmäßigkeit des Streiks nicht darauf an, ob er von einer Gewerkschaft initiiert oder aber von ihr aufgenommen wurde. Entscheidend ist nur, dass es sich um die Ausübung von Koalitionsrechten handelt.
Rz. 18
Hiervon muss eine Arbeitskampfmaßnahme unterschieden werden, die auf dem Entschluss einer zufälligen, vorübergehend gebildeten Arbeitnehmergruppe (Ad-Hoc-Koalition) basiert. Sie kann nicht Grundlage eines Streiks sein, sondern allenfalls gemeinschaftlicher Arbeitskampfmaßnahmen im weiteren Sinne.
Rz. 19
Für die Rechtmäßigkeit des Streiks kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die nach der Satzung der Gewerkschaft erforderlichen Formalien eingehalten worden sind. Deshalb ist auch der satzungswidrige Streik nicht zwingend arbeitskampfwidrig.
Rz. 20
Weitere Voraussetzung eines rechtmäßigen Streiks ist die Beachtung der sog. Friedenspflicht. Jeder Tarifvertrag dient dazu, die Arbeitsbedingungen für eine bestimmte Zeitdauer festzuschreiben und weitere Auseinandersetzungen hierüber zu verhindern. Nur so ist dem Arbeitgeber die ungestörte Produktion möglich. Aus diesem Grunde beinhaltet jeder Tarifvertrag – immanent – die so genannte relative Friedenspflicht, die den Tarifpartnern für die Laufzeit des Tarifvertrages den Arbeitskampf über seine Inhalte verbietet; unbenommen bleibt der Gewerkschaft jedoch auch während dieser Zeit der Anfang zum Unterstützungsstreik.
Rz. 21
Eine verstärkte Form der relativen Friedenspflicht ist die absolute Friedenspflicht, die ausdrücklich vereinbart werden muss. Sie untersagt den Tarifparteien für die Vertragslaufzeit jede Form von Arbeitskampf – unabhängig davon, ob das Streikziel bereits Gegenstand von Tarifbestimmungen ist oder nicht.
Rz. 22
Die Gewerkschaft muss mit dem Streik die Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele (vgl. hierzu § 1 TVG) bez...