Rz. 9
Nach § 352a Abs. 4 FamFG (für Erbfälle bis 16.8.2015: § 2357 Abs. 4 BGB, Art. 229 § 36 EGBGB) müssen alle Erben, die in dem beantragten Erbschein aufgeführt werden sollen, die eidesstattliche Versicherung nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG (vormals § 2356 Abs. 2 BGB) abgeben. Das alleinige Antragsrecht eines Miterben wird dabei auf den ersten Blick "aufgehoben": Es hilft nur wenig weiter, wenn zwar lediglich ein Miterbe den Erbscheinsantrag stellen darf, jedoch alle Erben die Angaben nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG versichern müssten. §§ 352 Abs. 3 S. 4, 352a Abs. 4 FamFG bieten jedoch dem Nachlassgericht Möglichkeiten, von der Versicherung ganz oder teilweise abzusehen:
Rz. 10
Nach § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG (vormals § 2356 Abs. 2 S. 2 BGB) steht es im Ermessen ("kann") des Nachlassgerichts, die eidesstattliche Versicherung zu erlassen, "wenn es sie nicht für erforderlich erachtet". Dies können Fälle sein, in denen das Vorhandensein näherer oder anderer gleich naher gesetzlicher Erben nicht möglich ist und auch das Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen ist, beispielsweise wenn der Erblasser im Kindesalter verstirbt und beide Eltern am Leben sind. Während in § 2356 Abs. 3 BGB überdies noch geregelt war, dass Tatsachen, die bei dem Nachlassgericht "offenkundig" sind, keines Nachweises bedürfen (weder durch Urkunden noch durch eidesstattliche Versicherung), wurde diese Regelung nicht in § 352 FamFG übernommen, da in Verfahren nach dem FamFG § 291 ZPO entsprechend anzuwenden ist.
Rz. 11
Die Handhabung der Ermessensvorschrift des § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG ist von Nachlassgericht zu Nachlassgericht, teilweise sogar von Abteilung zu Abteilung innerhalb eines Nachlassgerichts höchst unterschiedlich und somit kaum abzusehen. Mündliche Erläuterungen, dass man "hier immer eine eidesstattliche Versicherung verlangen" würde, sind nicht selten – und zeigen nicht nur Unkenntnis des Gesetzes, sondern belegen auch einen Ermessenausfall. Während unter Geltung des FGG die Forderung des Nachlassgerichts nach einer eidesstattlichen Versicherung als Zwischenverfügung isoliert mit der Beschwerde angegriffen werden konnte, bietet das FamFG keine entsprechende Möglichkeit mehr, vgl. § 58 Abs. 1 FamFG: Die Zwischenverfügung zur Vorlage einer Versicherung an Eides Statt ist nicht isoliert beschwerdefähig. Ein etwaiger Ermessensausfall des Nachlassgerichts kann mithin ausschließlich noch zusammen mit der Ablehnung des Erbscheinsantrages geltend gemacht werden.
Eine eidesstattliche Versicherung wird im Rahmen der Ermessensausübung beispielsweise nicht gefordert werden dürfen, wenn bereits der Erbscheinsantrag eines Miterben vorliegt, dessen Angaben an Eides Statt versichert wurden und nunmehr ein anderer Antrag (eines anderen Miterben) eingereicht wird, der lediglich einen Erbschein mit anderen Erbquoten zum Ziel hat, im Übrigen jedoch ebenfalls auf den bereits an Eides Statt versicherten Angaben beruht.
§ 352 Abs. 3 S. 4 FamFG ist auch bei einem Antrag von Miterben anwendbar, so dass auch hier auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verzichtet werden kann.
Rz. 12
Es ist fraglich, ob § 352a Abs. 4 FamFG (vormals § 2357 Abs. 4 BGB) dem Nachlassgericht gleichfalls – neben § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG – ein weiteres – und somit letztlich ein "doppeltes Ermessen" eröffnet, von der Versicherung teilweise abzusehen. Dabei geht es hier nicht mehr um die grundsätzliche Frage, ob überhaupt eine Versicherung abzugeben ist, sondern ob die Versicherung eines oder mehrerer Erben "für ausreichend" gehalten werden kann. Im Rahmen des inhaltsgleichen § 2357 Abs. 4 BGB wurde vertreten, dass es hier nicht auf das Ermessen des Nachlassgerichts, sondern auf das objektive Erfordernis ankäme: Haben eine oder mehrere Versicherungen dem Nachlassgericht ausreichenden Aufschluss erbracht, können weitere Versicherungen nicht gefordert werden: Das Nachlassgericht habe insoweit kein Ermessen. Der Wortlaut ("für ausreichend hält") spricht gegen diese Auffassung: Wenn das Nachlassgericht beurteilen darf, ob es mehr Aufschluss durch Versicherungen weiterer Miterben erwarten kann, liegt darin die Ausübung von Ermessen.
Rz. 13
Bei Weigerung eines Miterben, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, wird der Antrag nicht unzulässig; vielmehr muss das Nachlassgericht aufgrund der Amtsermittlungspflicht nach §§ 26, 29, 352d FamFG (für Erbfälle bis 16.8.2015: §§ 2358, 2359 BGB, Art. 229 § 36 EGBGB) selbst ermitteln. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der sich weigernde Erbe über § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB zur Mitwirkung bei der Beantragung des Erbscheins und damit zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet werden könnte. Der Anspruch soll vor dem Prozessgericht durchsetzbar sein, wenn der Erbschein zur Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist. Die Rechtsprechung musste sich mit dieser Frage noch nicht befassen. In der Praxis wird man diesen Weg wohl auch kaum wählen: Gerade wenn der sich we...