Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 486
Die OHG ermöglicht echte Mitunternehmerschaft. In den Fällen, in denen ein Handelsgewerbe gleichberechtigt von mehreren Personen ausgeübt werden soll, bietet sie sich daher als Rechtsform besonders an. Insb. kleinen und mittleren Familienunternehmen gewährt sie durch das Prinzip der Selbstorganschaft die nötige Identität zwischen dem Unternehmen und den Familienunternehmern. Die in der OHG relativ große Vertragsfreiheit lässt Raum, familiären Besonderheiten Rechnung zu tragen. Neben den Familien bietet sich die OHG auch solchen Mitunternehmern an, die ihre Geschäfte auf der Grundlage eines engen persönlichen Vertrauensverhältnisses betreiben wollen. Aufgrund der unbeschränkten und unbeschränkbaren Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft stellt sie i.d.R. jedoch nur für solche Unternehmer eine akzeptable Beteiligungsform dar, die ihren persönlichen wirtschaftlichen Erfolg mit dem ihres Unternehmens untrennbar verknüpfen wollen.
Gem. § 105 Abs. 2 HGB n.F. kann die OHG Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen und ist damit rechtlich verselbstständigt. Sie gehört daher zu den rechtsfähigen Personengesellschaften i.S.d. § 14 Abs. 2 BGB, ist jedoch keine juristische Person. Steuerrechtlich kommt das in ihrer mangelnden Körperschaftssteuersubjektivität zum Ausdruck mit der Folge, dass die einzelnen Gesellschafter ihren Anteil am Gewinn als Einkommen nach dem EStG oder KStG zu versteuern haben. Der Gewinn wird einheitlich und gesondert für alle Gesellschafter durch das Betriebsfinanzamt festgestellt (§§ 179 ff. AO). Doch ist die OHG Steuersubjekt der Objekt- bzw. Verkehrssteuern; ihre Steuerpflicht ist folglich bei der Grundsteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer gegeben. Attraktiv ist für OHG-Gesellschafter ihre eigene ausschließliche Steuerpflicht in Bezug auf Gewinne. Die Gewinne der mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Kapitalgesellschaften unterliegen hingegen zunächst der Körperschaftssteuerpflicht.
Hinweis
Die Tendenz im Wirtschaftsleben zeigt zwei Richtungen bei der Rechtsformwahl für ein Unternehmen. Einerseits werden haftungsbeschränkende Strukturen, wie etwa die der KG oder GmbH, angestrebt. Andererseits bevorzugen kleine und mittlere Unternehmen Formen, in denen nicht die Gesellschaft, sondern ausschließlich die Gesellschafter Steuersubjekte sind. Das erklärt die Vorliebe für Mischformen, etwa die der GmbH & Co KG und den gleichzeitigen Rückgang der OHG.
Rz. 487
Aber nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen stellt die OHG eine geeignete Rechtsform dar. Im Konzernrecht kann sie die Grundlage für den Zusammenschluss mehrerer größerer Unternehmen sein. Da die Regelung des § 105 HGB nicht zur Disposition der Gesellschafter steht, stellen alle Gesellschaften, die auf den gemeinschaftlichen Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sind, ohne dass eine wirksame Haftungsbeschränkung vereinbart ist oder eine juristische Person gegründet wurde, unabhängig vom Gründungswillen der Gesellschafter eine OHG dar. Daraus folgt eine enorme praktische Bedeutung der §§ 105 ff. HGB als Auffangtatbestand.
Beispiele
Eine OHGentsteht, wenn nach dem Tod eines Kaufmanns seine Erben (nicht nur als Erbengemeinschaft) das Unternehmen gemeinsam fortführen. Sie liegt vor, wenn ein Kaufmann in sein Handelsgeschäft einen Teilhaber mit Wirkung nach außen aufnimmt oder eine GbR, die ein Kleingewerbe betreibt, in den Bereich des Handelsgewerbes aufsteigt. Auch die Fälle der misslungenen Haftungsbeschränkung bei der KG oder des Betriebs einer Vor-GmbH, deren Gesellschafter die Eintragung ins Handelsregister nicht verfolgen, führen zwingend zum Vorliegen einer OHG. Scheidet der einzige Komplementär aus einer KG aus und sieht der Gesellschaftsvertrag in diesem Fall die Fortführung der Gesellschaft vor, wird sie als OHG fortgeführt, sodass die Kommanditisten dann uneingeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.