Rz. 64
Die AVB D&O bzw. Versicherungsbedingungen für eine D&O-Versicherung unterliegen grundsätzlich einer AGB-Kontrolle oder einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 134, 138 BGB. Dies gilt auch sofern ein Großrisiko vorliegt. Da dem Versicherten ein Direktanspruch eingeräumt ist und dieser regelmäßig Verbraucher ist, könnte erwogen werden, dass die AGB-Kontrolle ohne die Einschränkungen, die gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Verwendung gegenüber Unternehmern gelten, vorgenommen wird. Dann würden auch die strenge Einbeziehungskontrolle gemäß § 305 Abs. 2 BGB und die Klauselverbote in den §§ 308 309 BGB gelten. Dem ist zu folgen, da die vertraglichen Rechte der Versicherten, wenn sie gerade keine Unternehmer sind, uneingeschränkt der AGB-Kontrolle unterliegen müssen, wobei es keinen Unterschied macht, dass die Versicherten grundsätzlich ihre Stellung aus dem Versicherungsvertrag ableiten, den eine Unternehmerin (z.B. eine AG oder GmbH) für sie geschlossen hat und man argumentieren könnte, ihre Rechte reichen nicht weiter als jene der Versicherungsnehmerin. Die D&O-Versicherung ist jedoch eine Versicherung zu Gunsten Dritter und die Rechte der Versicherten sind weiter als jene der Versicherungsnehmerin , nur sie genießen grundsätzlich Versicherungsschutz und nur ihnen steht der Direktanspruch zu.
Rz. 65
Da jedoch Vertragspartnerin die Gesellschaft als Unternehmerin wird, gilt die strenge Einbeziehungskontrolle nicht, weil die Gesellschaft als Unternehmerin den Vertrag schließt. Es gelten aber bei der Einbeziehung die Unklarheitenregel und die Überraschungsklausel.
66
Maßstab der Inhaltskontrolle ist nicht die durchschnittlich verständige Versicherungsnehmerin, dies wäre die Gesellschaft, die den Versicherungsschutz vereinbart, sondern die durchschnittlich verständige versicherte Person, also der Geschäftsleiter bzw. das Kontrollorganmitglied, dass Versicherungsschutz erlangen möchte. Das OLG München hat dies wie folgt formuliert:
"Daher kann im vorliegenden Fall nicht auf den Erwartungshorizont einer durchschnittlichen Versicherungsnehmerin abgestellt werden, der eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen will. Vielmehr ist auf den Erwartungshorizont einer typischen versicherten Person abzustellen, der im speziellen Segment der Berufshaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter Versicherungsschutz erlangen will."
Rz. 67
Bei der Frage, ob es sich um eine unangemessene Benachteiligung handelt, ist daher grundsätzlich auf die Situation der versicherten Organmitglieder abzustellen. An diesem Maßstab ist z.B. zu prüfen, ob das Anspruchserhebungsprinzip (siehe dazu die Ausführungen bei A-2 AVB D&O) oder die Kostenanrechnungsklausel (siehe die Ausführungen unter A-6 AVB D&O V 2) einer Inhaltskontrolle standhält. Hierbei ist bei der Auslegung der jeweiligen Klausel, so der BGH, soweit verschiedene Bedeutungen in Betracht kämen, das Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung zu berücksichtigen. Für die Inhaltskontrolle gilt – auch bei Unternehmern - die Generalklausel in § 307 BGB einschließlich des Transparenzgebots. Es gelten wegen der Einräumung des Direktanspruchs aber auch die Klauselverbote in den §§ 308 und 309 BGB.
Rz. 68
Nach der Generalklausel sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB-Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Im Zweifel ist, so § 307 Abs 2 BGB, eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Die Variante, die auf den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abstellt, zielt auf das Leitbild der jeweiligen Norm ab, von der abgewichen wird. Die Inhaltskontrolle der AVB D&O kann sich hierbei – sofern es um spezifische Regelung der D&O-Versicherung geht, nicht an einem gesetzlichen Leitbild orientieren, da Bestimmungen im Gesetz zur D&O-Versicherung nicht existieren. In Betracht kommt aber das gesetzliche Leitbild, soweit es um allgemeine Vorschriften, insbesondere der Haftpflichtversicherung oder der sonstigen Schadensversicherung bzw. des allgemeinen Versicherungsvertragsrechts geht (siehe z.B. zur Kostenanrechnungsklausel in der D&O-Versicherung, die vom Leitbild in § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG abweicht, die Ausführungen unter A-6 AVB D&O V 2). Eine Gefährdung des Vertragszwecks nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch eine Klausel wird angenommen, wenn der Vertragszweck durch sie ausgehöhlt wird bzw. der Versicherungsvertrag durch sie zwecklos wird.
Rz. 69
Eine ungemessene Benachteiligung kann auch bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegen. Das Transparenzgebot ist in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kodifiziert: Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass...