1 Leitsatz
Ein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters kann bestehen, wenn Pflichtenverstöße als so schwerwiegend anzusehen sind, dass die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint.
2 Normenkette
§§ 26, 28 Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K greift noch vor dem 1.12.2020 einen Beschluss an, mit dem die Wohnungseigentümer die Jahresabrechnung 2018 nach § 28 Abs. 5 WEG a. F. genehmigt haben. Er meint, die Jahresabrechnung sei hinsichtlich der Darstellung der Einnahmen nicht ordnungsmäßig. Ferner erhebt er Beschlussersetzungsklage mit dem Ziel, dass der Verwalter abberufen werden soll.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Die von K beanstandete Einnahmen-Position sei zwar negativ formuliert. Dies sei aber nur geschehen, um die Saldierung zu erleichtern. Statt von einem "Saldo" spreche die Abrechnung hier von einer "Summe". Dies sei mathematisch auch gut nachvollziehbar, da die Addition einer großen positiven mit einer kleinen negativen Zahl der Subtraktion der positiv formulierten kleinen Zahl von der großen gleichkomme, kaufmännisch also eine Saldierung sei.
Die Beschlussersetzungsklage hat ebenfalls keinen Erfolg! Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters könne bestehen, wenn Pflichtenverstöße als so schwerwiegend anzusehen seien, dass die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheine. Wie bei der Anfechtung der Bestellung sei trotz Vorliegens wichtiger Gründe auch bei der Versagung der Abberufung die Willensbildung der Wohnungseigentümer aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei sei insbesondere die Schwere der Pflichtverletzungen einerseits und die Prognose des zukünftigen Verhaltens des Verwalters andererseits zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für eine Abberufung der Verwaltung und Kündigung des Verwaltervertrags lägen danach im Fall nicht vor. Zwar sei der Verwalter mit dem Prozessbevollmächtigten der (übrigen) Wohnungseigentümer über eine GbR verbunden. Ein Interessenkonflikt, der dazu geeignet wäre, einen wichtigen Grund für die Abberufung des Verwalters anzunehmen, sei damit aber nicht hinreichend dargetan. Soweit dem Verwalter ein Ladungsmangel vorgeworfen werde, führe auch dieser weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau mit den sonstigen angeführten Aspekten dazu, nur eine Entscheidung über seine Abberufung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung zu qualifizieren. Und auch die weiteren, neueren behaupteten Pflichtverletzungen rechtfertigten die Abberufung nicht.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es einerseits um ein Problem, welches sich nicht mehr stellt. Es geht um die Anfechtung des Beschlusses nach § 28 Abs. 5 WEG a. F., mit dem die Wohnungseigentümer die Jahresabrechnung genehmigt haben. Diesen Beschluss gibt es nicht mehr. Es gibt aber weiterhin Jahresabrechnungen. Die Anforderungen, die an diese zu stellen sind, haben sich nicht geändert. Andererseits geht es um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat, dass das Gericht für die Wohnungseigentümer den Beschluss fasst, den Verwalter abzuberufen.
Ordnungsmäßige Jahresabrechnung
Eine ordnungsmäßige Jahresabrechnung ist nach h. M. eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, die sämtliche – auch die unberechtigten – Einnahmen und Ausgaben enthalten muss. Nicht erforderlich sind detaillierte Angaben zu den einzelnen Einnahmen und Ausgaben oder die Auflistung einzelner Buchungsvorgänge auf den Bankkonten. Die Einzelpositionen der Einnahmen und Ausgaben dürfen in Einnahme- und Kostenarten zusammengefasst werden. Inwieweit unter Berücksichtigung des berechtigten Informationsbedürfnisses der Wohnungseigentümer eine Aufgliederung der Kostenpositionen erforderlich oder deren Zusammenfassung unter einer schlagwortartigen Bezeichnung möglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Jahresabrechnung muss – anders als früher – neben den im Abrechnungszeitraum getätigten Ausgaben und den erzielten Einnahmen keine Angaben über die Rücklagen und die Anfangs- und Endstände der gemeinschaftlichen Konten enthalten. Diese Bestandteile sind jetzt Gegenstand des Vermögensberichts.
Gestern und heute muss die Jahresabrechnung für die Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein. Die Darstellung der Jahresabrechnung muss die Wohnungseigentümer gemeinsam mit dem Vermögensbericht in die Lage versetzen, die Vermögenslage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erfassen und auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Sie müssen nachvollziehen können, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere ob sie entsprechend den Vorgaben des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind.
Abberufung eines Verwalters
Meint ein Wohnungseigentümer wegen eines "wichtigen Grunds" einen Anspruch auf Abberufung des Verwalters zu haben, kann er im Wege der Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG auf einen Abberufungsbeschluss klagen. Die Beschlussersetzungsklage setzt vor...