Leitsatz
Muß sich dem Vermieter aufdrängen, daß der Mieter die Miete aus Versehen und nicht etwa aus Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit nicht zahlt, so muß er den Mieter vor der Kündigung abmahnen. Dies gilt insbesondere bei einem langfristigen Mietvertrag, bei dem die Kündigung für den Mieter mit schwerwiegenden Folgen verbunden ist.
Sachverhalt
Der Vermieter hatte einem eingetragenen Tennisverein auf 30 Jahre eine Grundstücksfläche vermietet. Nach dem Vertrag ist der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis zu kündigen, wenn der Mieter mit mehr als sechs Monatsraten in Verzug gerät. Nachdem der Vermieter festgestellt hatte, daß der Verein seit über einem Jahr keine Miete mehr gezahlt hatte, kündigte er fristlos. Drei Tage nach der Kündigung glich der Tennisverein die Mietrückstände aus. Er meint, der Vermieter habe sein Kündigungsrecht verwirkt, weil er die versehentliche Nichtzahlung bewußt nicht beanstandete, um die Kündigungsvoraussetzungen herbeizuführen. Die Kündigung sei im übrigen treuwidrig, weil die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses für den Verein ruinös sei. Er habe durch jahrelange und intensive Eigenarbeit seiner Mitglieder die Tennisanlage errichtet. Die dazu aufgenommenen Darlehen müßten weiter getilgt werden, ohne daß die Anlage genutzt werden könne. Er laufe auch Gefahr, die für die Errichtung erhaltenen öffentlichen Mittel zurückerstatten zu müssen. Der Vermieter meint, weder der Vertrag noch das Gesetz fordere eine vorherige Abmahnung.
Entscheidung
Die Kündigung war unwirksam. Der Vermieter hätte den Mieter vorher abmahnen müssen. Zwar fordern weder der Mietvertrag noch das Gesetz eine Abmahnung vor einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges. In besonders gelagerten Ausnahmefällen muß nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Kündigung aber eine Abmahnung vorausgehen. Diese ist insbesondere dann geboten, wenn sich für den Vermieter der Schluß aufdrängen muß, daß die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit, sondern auf ein Versehen zurückzuführen ist. Die Einstellung des Dauerauftrages hinsichtlich der Mietzahlung war auf Unzulänglichkeiten bei der Kassenführung und -prüfung des Vereins zurückzuführen. Wenn nach 10jähriger Vertragsdauer ohne Unregelmäßigkeiten bei der Mietzahlung plötzlich keine Mietzahlungen mehr eingehen, ohne daß dazu irgendeine Erklärung abgegeben wird, drängt sich ein Versehen auf. Bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen muß der Vermieter den Mieter auf sein Versehen hinweisen, bevor er eine möglicherweise ruinöse Kündigung ausspricht. Wenn der Vermieter mehr als ein Jahr lang kommentarlos hinnimmt, daß der Mieter keine Miete zahlt und von einem Recht zur fristlosen Kündigung keinen Gebrauch macht und sich nicht bemüht, den Mieter zu einem vertragsgemäßen Verhalten zu veranlassen, dann muß er durch eine Abmahnung deutlich machen, daß er bei fortbestehendem Zahlungsrückstand den Vertrag nicht länger fortsetzen will.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 24.04.1998, 33 U 97/97
Fazit:
Das Gericht stellt hier das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bei langfristigen Verträgen in den Vordergrund, das fordert, die Interessen des Vertragspartners zu berücksichtigen. Daher ist es eine Abmahnung nötig, obwohl weder der Vertrag noch das Gesetz eine solche fordern.