Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§§ 633ff. BGB, § 640 BGB
Kommentar
1. Erfolgte ein Vertragsschluss und eine zeitlich noch später liegende Abnahme eines Werks durch einen Auftraggeber erst 1976, waren auftragnehmerseits Außenwanddämmwerte nicht nach der DIN 4108 in der Fassung 1969 geschuldet, sondern mindestens aufgrund der ergänzenden Bestimmungen zu dieser DIN-Norm vom Oktober 1974; danach hätte sich bereits die Planung der Auftragnehmerseite richten müssen. Eine Abweichung von diesen maßgeblichen Anforderungen der DIN stellt einen Werkmangel dar. Maßgebend für die Beurteilung eines Werks als mangelhaft ist regelmäßig die bei Vertragsabschluss ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarte Beschaffenheit im Rahmen der Ansprüche eines Durchschnittsbauherren, was letztlich wiederum an den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst zu messen ist, die ihren Niederschlag u. a. in den DIN-Normen finden und deshalb für die Beurteilung des Vorliegens eines Fehlers von überragender Bedeutung sind.
2. Was die allgemein anerkannten Regeln der Technik betrifft, ist weder der Zeitpunkt der Bauplanung noch derjenige der Bauausführung, sondern derjenige der Abnahme des Bauwerks durch Auftraggeber (Erwerber) maßgeblich (vgl. BGH v. 6. 3. 1985, Baurecht 85, 567). Der Unternehmer hat für Erreichung des Leistungserfolgs zum Zeitpunkt der Abnahme und für deren Fortbestand während der Gewährleistungsfrist einzustehen. Zwar geht der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik über die allgemeinen technischen Vorschriften (DIN-Normen) hinaus; andererseits entspricht es billigenswerter allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die DIN-Normen die Vermutung für sich haben, die allgemeinen Regeln der Technik wiederzugeben; diese Vermutung begründet zugleich eine Beweislastregel dahin, dass die Beachtung der DIN-Normen die wiederlegbare Annahme begründet, das Werk entspreche den Regeln der Technik.
3. Nur bei einem Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB ist dem Werkunternehmer die Möglichkeit eröffnet, darzulegen und zu beweisen, dass das Vorliegen des zur Gewährleistung verpflichtenden Mangels unverschuldet ist; diese Verschuldensvoraussetzung besteht nicht bei Ansprüchen nach § 633 BGB, also auch nicht bei einem Vorschussanspruch nach § 633 Abs. 3 BGB.
4. Eine Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Urteil vom 30.03.1988, 16 U 108/87)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Es ist keine Frage, dass diese im Einklang mit der herrschenden Rechtsmeinung stehende Entscheidung für Unternehmer gewisse Härten darstellt, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - Bauverzögerungen einstellten (Vergleichsanmeldung des finanzierenden Bankinstituts) und die Baukrise Restveräußerungen von Wohnungen erschwerte und dann noch Spät- und Ersterwerbern werkvertraglich Mängelgewährleistung zu erbringen ist. Gerichtsgutachter in 1. Instanz hatten in dieser Streitsache sogar herausgestellt, dass die zur Zeit der Planung und Ausführung der Bauleistungen geltenden DIN-Vorschriften beachtet und Feuchtigkeiten im Wohnungsinneren durch das Heiz- und Lüftungsverhalten des Klägers verursacht worden seien.
Wenn auch die DIN 4108 in 1974 vorwiegend aus energiepolitischen Gründen verschärft wurde, hat das Gericht diese geänderte DIN zur Grundlage seiner Entscheidung erhoben und auf den jeweiligen Abnahmezeitpunkt der Werkleistung abgestellt. Das Argument der Verkäuferseite, dass auch ein verbesserter Wärmeschutz bei Bewohnern zur irrigen Annahme führen könnte, dass dadurch die Gefahr von Feuchtigkeitsschäden durch Auskühlung der Außenwände ausgeschlossen wäre, es also stets eine Frage der Zeit sei, wann Kälte auch durch eine noch so gute Isolierung durchdringe, ließ das Gericht nicht gelten. Bauträgerverkäufer werden deshalb zu beachten haben, dass jede Art der Änderung einer DIN-Vorschrift bis zum Zeitpunkt einer Abnahme als anerkannte Regel der Technik zu beachten ist.