Leitsatz
Die Genehmigung einer Abrechnung mit dem Zusatz, gegebenenfalls noch vorzunehmende Korrekturen seien in einer späteren Abrechnung vorzunehmen, macht den Genehmigungsbeschluss nichtig.
Normenkette
WEG § 28 Abs. 3
Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen die Abrechnungen für 2012 und für 2013 mit dem Korrekturvorbehalt: "Gegebenenfalls noch vorzunehmende Korrekturen sind in der Jahresabrechnung 2014 vorzunehmen." Gegen diese beiden Genehmigungsbeschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Mit Erfolg!
Die Entscheidung
Nach Ansicht der Kammer ist der Beschluss wegen des Korrekturvorbehalts unbestimmt und damit nichtig!
Bestimmtheit
Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Korrektur in einer späteren Abrechnung nicht zulässig sei. Eine Abrechnung stelle eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung dar. Ohne jede Einschränkung seien die tatsächlich im betroffenen Wirtschaftsjahr erzielten Gesamteinnahmen den tatsächlich geleisteten Gesamtausgaben dieser Periode gegenüberzustellen. Die vorgesehene mögliche Korrektur verstieße damit gegen den Grundsatz des § 28 Abs. 3 WEG, widerspräche damit ordnungsmäßiger Verwaltung und sei nicht durchführbar. Rechtsfolge hiervon könne nur die Nichtigkeit des Korrekturvorbehalts sein.
Gesamtnichtigkeit
Die Fehlerhaftigkeit des Korrekturvorbehalts wirke sich gemäß § 139 BGB auch auf die jeweils im ersten Satz der angefochtenen Beschlüsse enthaltene Genehmigung der Abrechnung 2012 bzw. 2013 aus. Es sei entsprechend der gesetzlichen Vermutungsregel von Gesamtnichtigkeit auszugehen.
Nach Sinn und Zweck des § 139 BGB sei ein teilweises nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit allerdings – wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspreche (Hinweis auf BGH v. 11.5.2012, V ZR 193/11, Rn. 13) – im Übrigen aufrechtzuerhalten. Gerade bei Beschlüssen, die Abrechnungen genehmigten, werde es den Wohnungseigentümern in der Regel daran gelegen sein, der Genehmigung unterliegende Angelegenheiten möglichst abschließend auf einer Versammlung zu bewältigen. Zudem entspreche es einer effizienten und ordnungsmäßigen Verwaltung, Beschlussfassungen über entscheidungsreife Kostenpositionen alsbald herbeizuführen und das Beschlossene zügig umzusetzen. Dagegen werde dem mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer die Verneinung der Gesamtnichtigkeit dann nicht entsprechen, wenn Mängel vorlägen, die zu einer nicht mehr oder nur noch schwer nachvollziehbaren Restabrechnung führten (Hinweis auf BGH v. 11.5.2012, V ZR 193/11, Rn. 13). Dies sei anzunehmen bei:
- strukturellen Fehlern der Abrechnungen (Bilanz);
- bei rechnerischer Unschlüssigkeit (keine Übereinstimmung der Kontenentwicklung mit dem Saldo von Einnahmen und Ausgaben);
- bei fehlender Darstellung der Einnahmen in der Gesamtabrechnung;
- bei einer Vielzahl von die Abrechnung insgesamt als "fehlerhaft" erscheinen lassenden Einzelfehlern oder wenn die Abrechnung für einen durchschnittlichen Wohnungseigentümer ohne sachkundige Hilfe nicht nachvollziehbar sei.
- Auch bei einem unzutreffenden Abrechnungszeitraum kommt eine Gesamtungültigkeitserklärung in Betracht.
Für die Abgrenzung komme es dagegen nicht entscheidend darauf an, ob ein quantitativ erheblicher Teil der Gesamt- bzw. Einzeljahresabrechnungen fehlerhaft sei (Hinweis auf OLG München v. 20.2.2008, 34 Wx 65/07, Rn. 38 – juris).
- Vor diesem Hintergrund gehe die Kammer im Fall von einer Gesamtnichtigkeit aus. Die Besonderheit liege darin, dass den Wohnungseigentümern positiv bekannt gewesen sei, dass einzelne Kostenpositionen der jeweiligen Abrechnung womöglich zu korrigieren waren. Aus der Aufnahme des Korrekturvorbehalts lasse sich ablesen, dass die Wohnungseigentümer nicht sehenden Auges eine möglicherweise falsche Abrechnung beschließen wollten, sondern sich eine "WEG-rechtlich nicht zulässige Korrekturmöglichkeit" offen halten wollten.
- Dieser Umstand zeige, dass im Fall wohl sogar der wirkliche Wille der Wohnungseigentümer erkennbar sei, keinesfalls die an sich noch korrekturbedürftige Abrechnung abschließend zu genehmigen. Genau dies wäre aber das Ergebnis, ginge man nur von einer Teilnichtigkeit aus. Der Zusatz "gegebenenfalls" ändere hieran nichts. Entscheidend sei nicht so sehr, ob automatisch und in jedem Fall eine Korrektur erfolgen würde, sondern vielmehr die Tatsache, dass aus dem Korrekturvorbehalt ersichtlich werde, dass die Wohnungseigentümer wussten, dass noch keine vollständige Entscheidungsreife eingetreten war und sie diesem Umstand Rechnung tragen, mithin also noch nicht völlig abschließend über die Abrechnung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben der betroffenen Wirtschaftsjahre entscheiden wollten.
- Insofern sei an sich gar nicht notwendig, auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen, da hier die Besonderheit gegeben sei, dass anders als in den üblichen Fällen von unerkannt falsch angesetzten Einzelposten in einer Abrechnung die Wohnungseigentümer die fehlende Entscheidungsreife bereits vor Beschlussfassung kannten und sich mit diesem Problem auseinandergesetzt ...