Leitsatz (amtlich)
1. Bei Verlust eines Fahrzeugschlüssels und einer anschließenden Weiterbenutzung des Fahrzeuges liegt keine Gefahrerhöhung i.S. der §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG a.F. vor (Anschluss an OLG Celle, Urt. v. 23.09.2004 - 8 U 128/03, VersR 2005, 640; entgegen OLG Nürnberg, Urt. v. 28.03.2003 - 8 U 4326/01).
2. In diesem Fall kann sich eine Leistungsfreiheit indes gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 VVG a.F. ergeben (Anschluss an OLG Celle, Urt. v. 23.09.2004 - 8 U 128/03, VersR 2005, 640). Insoweit trägt der Versicherungsnehmer die volle Beweislast dafür, dass der Verlust des Fahrzeugschlüssels keinen Einfluss auf den Eintritt des (behaupteten) Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VVG a.F. Bleibt offen, ob eine unterbliebene Anzeige des Schlüsselverlustes kausal für den Eintritt oder den Umfang des Versicherungsfalles geworden ist, geht dies zu Lasten des Versicherungsnehmers (Anschluss an LG Bielefeld, Urt. v. 17.03.1995 - 4 O 24/95, RuS 1995, 368 f.).
3. Unmaßgeblich ist, ob der Versicherungsnehmer Kenntnis davon gehabt, dass er das Abhandenkommen des Fahrzeugschlüssels bei der Versicherungen anzeigen musste; anders als § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. stellen die §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 VVG a.F. auf einen (fehlenden) Vorsatz des Versicherungsnehmers nicht ab. Es kann daher auch dahinstehen, ob ein etwaiger Rechtsirrtum des Versicherungsnehmers für diesen vermeidbar gewesen ist.
Normenkette
VVG a.F. § 6 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 1; VVG § 215; VVG a.F. § 48; ZPO §§ 263, 264 Nr. 3; EGVVG Art. 1 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 3.894,15 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung aus einer Teilkaskoversicherung wegen eines Diebstahlschadens.
Die Klägerin betreibt ein Frachtunternehmen, unter anderem fährt sie Brief- und Paketsendungen der D... AG aus. Zu diesem Zweck hielt sie einen Kastenwagen der Marke Renault mit dem amtlichen Kennzeichen .... Sie finanzierte den Kauf des Fahrzeuges über die R...-Bank in M..., der das Eigentum an dem Fahrzeug zur Sicherheit übereignet worden war.
Zwischen den Parteien besteht ein Teilkaskoversicherungsvertrag mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR. Im Rahmen der Teilkaskoversicherung bestand ein Versicherungsschutz u.a. für Beschädigungen, die im Zusammenhang mit der Entwendung des Fahrzeuges entstehen. Weiter wurde für den Fall der Obliegenheitsverletzung eine Leistungsfreiheit der Beklagten vereinbart. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die auszugsweise zur Akte gereichten Versicherungsbedingungen Bezug genommen (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.; Anlage B 4, Bl. 156-158 d.A.).
Die Klägerin behauptet, der Kastenwagen sei am 14.05.2008 entwendet worden. Am 04.06.2008 übersandte sie der Beklagten einen Fragebogen, in welchem sie die Laufleistung des Fahrzeuges mit ca. 300.000 km angab. Weiter gab sie an, dass im Jahre 2004 ein Fahrzeugschlüssel abhanden gekommen sei, was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist. Weiter gab die Klägerin an, dass die hintere Glasscheibe einer Ladeflächentür gefehlt habe und durch einen festen Presskarton ersetzt wurde, was zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig geblieben ist. Zwischen der Ladefläche und dem Führerhaus befand sich eine durchgängige Trennwand aus Metall. In dem von der Beklagten an die Klägerin übersandten Fragebogen heißt es am Ende: " Wir weisen darauf hin, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Anspruchs auf Versicherungsschutz führen, auch wenn dem Versicherer durch diese Angaben kein Nachteil entsteht.". Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt des Fragebogens wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage B 3, Bl. 58-65 d.A.).
Am 16.06.2008 wurde der Kastenwagen unter der Anschrift A... in H... in einem erheblich beschädigten Zustand aufgefunden. Die für die Reparatur erforderlichen Kosten überstiegen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges, der netto 6.634,15 EUR betrug, erheblich. Der Restwert des Fahrzeuges belief sich auf 2.590,00 EUR. Die Beklagte ließ gemäß Auftrag vom 24.07.2008 von dem Zeugen J... ein Gutachten erstellen, in dem es auszugsweise heißt, dass an dem Fahrzeug keine Spuren festgestellt werden konnten, die auf ein gewaltsames Öffnen des Fahrzeuges hindeuteten. Der Gutachter besichtigte das Fahrzeug am 25.07.2008. Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt des Gutachtens wird auf die zur Akte gereichte Kopie B...