Leitsatz (amtlich)
1. Ein "Anfahren" im Sinne des § 10 StVO liegt nicht vor, wenn ein Pkw lediglich verkehrsbedingt hält und anschließend die Fahrt wieder fortsetzt.
2. Ereignet sich ein Verkehrsunfall in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Vorbeifahren an einem Hindernis im Sinne des § 6 StVO, spricht zu Lasten des Ausscherenden ein Anscheinsbeweis dafür, dass er diesen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (Anschluss an AG Krefeld, Urt. v. 28.01.2010 - 3 C 490/08).
3. Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO schützt den bevorrechtigten, nicht jedoch den sich in den fließenden Verkehr wieder einordnenden Verkehr.
4. Eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt nur vor, wenn der Überholende unter den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, die Verkehrslage also unübersichtlich ist und sich ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht beurteilen lässt. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Fahrzeug hinter einem parkenden Fahrzeug anhält und hierbei die Bremsleuchten an sind.
Normenkette
StVO § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 3 Nr. 1, §§ 6, 8 Abs. 2 S. 1, § 10; ZPO § 286
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Streitwert wird bis zum 10.10.2012 auf 1.715,00 EUR und danach auf 950,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in W....
Am 14.04.2012 befuhr der Kläger mit dem in seinem Eigentum stehenden Pkw der Marke Golf mit dem amtlichen Kennzeichen ... die O...straße in ... W.... Dort kam es beim Überholen eines am rechten Fahrbahnrand parkenden Pkw zur Kollision zwischen dem von ihm geführten Pkw und dem dahinter fahrenden, von der Beklagten zu 1. geführten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen .... Die Einzelheiten über den Unfallhergang stehen zwischen den Parteien im Streit.
Der Kläger hat seinen Sachschaden zunächst auf der Grundlage eines Privatsachverständigengutachtens des Ingenieurbüros ... vom 27.04.2012 (Bl. 5-18 d.A.) auf einen Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 1.400,00 EUR sowie eine Nutzungsausfallentschädigung für 10 Tage á 29,00 EUR, insgesamt also 290,00 EUR zuzüglich einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR errechnet.
Mit Schreiben vom 11.06.2012 teilte die Beklagte zu 2. mit, keinen Schadensersatz zu leisten.
Mit seiner Klage vom 01.08.2012 hat der Kläger seine Ersatzansprüche zunächst weiterverfolgt. Ferner hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss des Gerichts vom 21.09.2012 hat dieses dem Kläger Prozesskostenhilfe in Höhe von 950,00 EUR (2/3 des Wiederbeschaffungsaufwands und der Unkostenpauschale) zzgl. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 EUR bewilligt und im Übrigen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (Bl. 34-37 d.A.).
Mit Verfügung des Gerichts vom 21.09.2012 ist den Beklagten die Klageschrift sodann zugestellt worden, soweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Mit am 11.10.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 05.10.2012 hat der Kläger erklärt, dass Klage nur im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe erhoben wird und im Übrigen der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgenommen werde. In dem Termin am 13.12.2012 hat der Klägervertreter klargestellt, dass mit dem Schriftsatz vom 05.10.2012 auch die Klage zurückgenommen werden sollte, soweit diese über die bewilligte Prozesskostenhilfe hinausgeht.
Der Kläger behauptet, er habe hinter dem rechts am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeug gehalten, um den entgegen kommenden Pkw des Zeugen M... durchfahren zu lassen, wobei er dafür kurz den Rückwärtsgang eingelegt und seinen Pkw zurückgesetzt habe. Als der Pkw des Zeugen M... nahezu durchgefahren sei, habe er den Fahrtrichtungsanzeiger nach links gesetzt und habe sich durch doppelte Rückschau versichert, dass hinter ihm kein Fahrzeug kommt und habe zum Überholen angesetzt. Als er mit seinem Pkw etwa auf halber Höhe des parkenden Pkw gewesen sei, sei die Beklagte zu 1. plötzlich und offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit in die vordere linke Fahrzeugseite seines Pkw gefahren. Aus den Beschädigungen an den Fahrzeugen ergebe sich, dass die Beklagte zu 1. in das Fahrzeug des Klägers hinein gefahren sei (Beweis: Sachverständigengutachten).
Er beantragt,
1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 950,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen;
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen außergerichtliche Kosten in Höhe von 155,30 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
D...