Leitsatz (amtlich)
Eine einstweilige Verfügung auf Unterhalt wird von der Möglichkeit der einstweiligen Anordnung (§ 644 ZPO) verdrängt und ist deshalb unzulässig, wenn der Unterhaltsberechtigte eine Unterhaltsklage anhängig machen könnte.
Normenkette
ZPO §§ 644, 935
Gründe
Die Parteien, Eheleute, leben seit August 1998 getrennt voneinander. Die ASt. begehrt im Wege der einstweiligen [einstw.] Verfugung den 3/7-Quotenunterhalt aus der Differenz der Einkommen der Parteien.
Der Antrag auf Erlaß einer einstw. Unterhaltsleistungsverfügung ist unzulässig. Die ASt. könnte nämlich in Verbindung mit einer Unterhaltsklage, auch schon nur einem hierauf gerichteten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe [PKH], einen Antrag auf Regelung des Unterhalts durch Erlaß einer einstw. Anordnung [AO] stellen, wie dies § 644 ZPO seit dem 1.7.1998 ermöglicht. Damit ist kein Raum mehr für eine einstw. Verfügung.
Sobald eine einstw. AO zulässig ist, darf keine einstw. Verfügung mehr erlassen werden, da die Bestimmungen der §§ 620–620 q ZPO als Spezialgesetze aufzufassen sind (BGH, FamRZ 1979, 472). Auch die einstw. AO des § 644 ZPO, auf die gemäß Satz 2 die Vorschriften der §§ 620 a–620 q ZPO entsprechend anwendbar sind, verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die einstw. Verfugung (vgl. Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 3. Aufl., § 644 ZPO Rz. 1).
Dies gilt nicht nur dann, wenn – so der Wortlaut des § 644 ZPO – bereits die Unterhaltsklage anhängig oder der PKH-Antrag hierfür eingereicht ist. Vielmehr ist die einstw. Verfugung schon dann unzulässig, wenn der Unterhaltsberechrigte diese Voraussetzungen herbeiführen könnte, d.h. Klage erheben oder PKH-Antrag hierfür stellen könnte. Dies folgt aus dem Ausnahmecharakter der einstw. Verfügung.
Bis zu der durch das KindUG v. 16.12.1997 per 1.7.1998 eingetretenen Rechtsänderung konnten einstw. AOen nur erlassen werden, wenn eine Ehesache anhängig war, § 620 ZPO, oder wenn es um die Regelung eines Prozeßkostenvorschusses ging, § 127 a ZPO. Um Unterhaltsberechtigte, denen somit eine einstw. AO nicht offenstand, vor Not zu bewahren, konnte die Unterhaltsleistung durch einstw. (Leistungs-)Verfügung gemäß § 940 ZPO angeordnet werden, § 940 ZPO. Dem Charakter als Notbehelf entsprechend wurden strenge Anforderungen zunächst an den Verfügungsgrund gestellt: Wer längere Zeit zugewartet hatte, ehe er den Anspruch geltend machte, mußte ebenso damit rechnen, daß das Gericht einen Verfügungsgrund nicht (mehr) sah (OLG Hamm, FamRZ 1988, 855), wie der, der durch Inanspruchnahme von Sozialhilfe keine unmittelbare Not litt
(str., so aber die überwiegende Rspr., vgl. OLG Hamm, a.a.O., und S. 529; OLG Oldenburg, FamRZ 1991, 1075, m. Anm. Gottwald, S. 1076 = NJW 1991, 2029, m.w.N.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1321 – allerdings jeweils zu § 91 BSHG a.E; soweit heute Sozialhilfe gewährt wird, bewirkt die cessio legis ohnehin, daß der Hilfeempfänger nicht mehr Anspruchsinhaber ist).
Der Zweck reiner Nothilfe hatte weiter die Folge, daß für die Vergangenheit Ansprüche nicht geltend gemacht werden konnte, KG, FamRZ 1987, 842; OLG Celle, NJW 1990, 3281; Meinungsverschiedenheiten gab es darüber hinaus in der Frage, ob ab Antragstellung (so KG, a.a.O.) oder ab Erlaß der AO (OLG Hamm, FamRZ 1988, 528, m.w.N.) Unterhalt tituliert werden konnte. Der Verfügungsanspruch schließlich wurde, dem Notbehelf entsprechend, nach nahezu einhelliger Meinung in der Höhe wie der sog. Notunterhalt bemessen und dieser auch nur in zeitlicher Begrenzung auf maximal sechs Monate zuerkannt (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1987, 1188, m.w.N.; OLG Köln, FamRZ 1995, 824, mit Zusammenstellung der Rspr.). Als Notunterhalt wird dabei der Eingangssatz der DüsseldorferTabelle angesetzt, der den heutigen Regelbeträgen i. S. des § 1612 a BGB entspricht bzw., für den Ehegattenunterhalt, die Mindestbedarfssätze entsprechend dem sog. kleinen Selbstbehalt. Die zeitliche Limitierung fußt auf der Überlegung, daß nur die Zeit bis zur Erlangung eines Titels im ordendichen Unterhaltsverfahren überbrückt werden soll.
Diesen Beschränkungen entgeht der Unterhaltsberechtigte, indem er den ordentlichen Unterhaltsprozeß einleitet und Antrag auf Erlaß einer einstw. AO gemäß § 644 ZPO stellt. Dem stehen auch nicht Kostenerwägungen entgegen. Solche sind im Rahmen der Prüfung der PKH-Bewilligung für das AO-Verfahren selbst anzustellen, gehört doch die einstw. AO nicht zum Rechtszug i. S. des § 119 ZPO, vgl. Zoller/Philippi, § 119 ZPO Rz. 48. Hier zeigt sich, daß die Tätigkeit des Gerichts jeweils mit ½ Gebühr vergolten wird, nämlich nach KV Nr. 1050 bzw. 1160 und daß für die Berechnung der Anwaltsgebühren das Verfahren sowohl der einstw. AO wie der einstw. Verfügung jeweils als besondere Angelegenheit gelten, deren Abrechnung nach § 31 BRAGO erfolgt; auch der Streitwert ist jeweils mit dem 6-Monatswert identisch.
Fundstellen
Haufe-Index 1255500 |
FamRZ 1999, 659 |