Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 868,61 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. August 1999 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird, da der Streitwert 1.200,00 DM nicht übersteigt, gemäß § 495 a ZPO abgesehen.

 

Tatbestand

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 1004 BGB in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang wegen der ihm entstandenen Anwaltskosten für das Abmahnschreiben vom 1. Juli 1999.

 

Entscheidungsgründe

Die unaufgeforderte Übersendung der e-mail an die Adresse einer Anwaltskanzlei stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. des § 823 Abs. 1 BGB dar, in dessen Schutzbereich neben Unternehmen im engeren Sinne auch die Angehörigen der freien Berufe – wie hier der Kläger als Rechtsanwalt – fallen (vgl. Münchner Kommentar-Mertens, BGB, 3. Auflage, § 823, Rn. 488). Das erkennende Gericht folgt den Rechtsausführungen des Landgerichts Berlin in dem Urteil vom 13. Oktober 1998 (Az.: 16 .O. 320/98) in vollem Umfang: Der Empfänger einer unaufgeforderten e-mail-Werbung wird durch diese erheblich und im Ergebnis nicht hinnehmbar belästigt. Insbesondere muß er Arbeitszeit aufwenden, um e-mail-Werbung aus seiner e-mail-Post auszusondern und es entstehen ihm Kosten durch die hierbei anfallenden Telekommunikationsgebühren. Darüberhinaus besteht die Gefahr, daß durch eine große Anzahl von Werbesendungen die Speicherkapazität der Empfänger-Mailbox überschritten wird und der Empfänger erwünschte Nachrichten nicht mehr erhält bzw. letzlich den e-mail-Anschluß für seinen Geschäftsverkehr nicht mehr nutzen kann.

Das Gericht sieht es insoweit ebenfalls als unerheblich an, daß der Beklagte vorliegend unstreitig nur eine einzige e-mail an den Kläger geschickt hat, die für sich allein die vorgenannten nachteiligen Folgen nicht in erheblichem Umfang nach sich ziehen kann. Denn die Gefahr von Werbe-e-mail besteht gerade darin, daß eine nicht kontrollierbare Anzahl von Personen e-mails an eine ebenfalls unüberschaubare Zahl von Empfängern sendet, was erst im Zusammenwirken zu den Beeinträchtigungen der Empfänger führt. Hier muß jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden, da ansonsten keine Handhabe gegen die Belästigung bestünde. Ein Argument dafür, bereits die Versendung einer einzelnen Werbe-e-mail als „Eingriff” in den Gewerbebetrieb anzusehen, ist insbesondere auch die „Ausuferungsgefahr” die diese Werbung in sich birgt (LG Berlin, a.a.O.).

Der Beklagte trägt selbst vor, die Versendung der e-mail beruhe auf einem von ihm unbemerkt gebliebenen Fehler seiner Mitarbeiterin, die die e-mail-Adresse des Klägers versehentlich in einer zur Versendung benutzten Maildatei abgelegt habe. Für diese jedenfalls fahrlässige Rechtsverletzung seiner Verrichtungsgehilfin i. S. des § 831 Abs. 1 BGB, als welche die Mitarbeiterin anzusehen ist, haftet der Beklagte aber, soweit er sich im Hinblick auf deren Auswahl und Überwachung nicht entlasten kann. Hierzu ist seitens des Beklagten kein Vortrag erfolgt.

Der im Urteil vom 26. November 1999 in dem beigezogenen Parallelrechtsstreit 5 c C 275/99 des Amtsgerichts Charlottenburg vertretenen Rechtsansicht, daß es an einer adäquat kausalen Verursachung des geltend gemachten Schadens fehle, tritt das Gericht nicht bei. Zwar kommt eine Ersatzpflicht für einen Schaden wie die vorliegend geltend gemachten Kosten des anwaltlichen Abmahnschreibens, der durch eine auf seinem Willensentschluß beruhende Handlung des Verletzten verursacht wird, nur in Betracht, wenn die Handlung durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses darstellt (vgl. hierzu: Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Auflage, Vorbem. v. § 249, Rn. 77 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier aber vor, weil der Kläger auf die unzulässige Werbezusendung per e-mail mit der erfolgten anwaltlichen Abmahnung reagieren durfte und der Beklagte mit dieser rechnen musste. Der Verletzte muß sich nicht darauf verweisen lassen, er könne die jeweiligen Absender von e-mail-Werbung zunächst nur mit einem Antwortschreiben per e-mail auf künftige Unterlassung in Anspruch nehmen und zugleich bei Verstoß anwaltliche Schritte lediglich in Aussicht stellen. Dies würde den Verletzten zusätzlich zu dem bereits erduldeten Eingriff damit belasten, weitere Arbeitszeit und Kosten zur Erstellung der Antwortschreibens einzusetzen und würde ihn darüberhinaus zwingen, die eingegangenen Werbesendungen im Hinblick auf die Absender zu dokumentieren, um dann im Wiederholungsfalle mit anwaltlichem Abmahnschreiben gegen diese vorgehen zu können. Auch vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten „Ausuferungsgefahr” von e-mail-Werbung sieht das Gericht eine sofortige anwaltliche Abmahnung insoweit nicht als unverhältnismäßige Ma...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge