Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Tenor
Das Amtsgericht Bernau hält alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtmG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, für verfassungswidrig.
Hilfsweise hält das Amtsgericht Bernau die Strafvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtmG in den Alternativen des Erwerbens oder des sich in sonstiger Weise Verschaffens sowie § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtmG jeweils i.V.m. der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtmG für verfassungswidrig.
Das Verfahren wird ausgesetzt und gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Tatbestand
I.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, nämlich des Geständnisses des Angeklagten, steht fest, dass dieser am 17.08.2001 gegen 00:30 Uhr auf einem Parkplatz in der Leipziger Straße 126 in Berlin in seiner rechten Hosentasche eine Tüte mit einem Cannabistabakgemisch von 1,5 g brutto sowie einem Stück Cannabis mit einem Nettogewicht von 3,6 g mit sich geführt und zuvor erworben oder sich in sonstige Weise verschafft hat. Der Angeklagte war nicht im Besitz irgendwelcher Dokumente, die den Erwerb oder Besitz dieser Betäubungsmittel durch ihn hätten legitimieren können. Der Angeklagte wurde nach seinem polizeilichen Ergreifen zunächst einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Er wurde dann verantwortlich vernommen. Der Angeklagte äußerte sich damals nicht zur Sache.
Nach Abschluss der Ermittlungen wurde das Verfahren zur Entscheidung an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin abgegeben. Diese übersandte das Verfahren gemäß der §§ 42, 108 JGG der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder). Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erklärte sich zuständig und nahm folgenden Vermerk in die Akte auf:
„Die beim Beschuldigten gefundenen 3,6 g Betäubungsmittel liegen weit oberhalb der Grenze von 3 Konsumeinheiten, bis zu der im Land Brandenburg noch von einer geringen Menge im Sinne des § 31 a BtmG ausgegangen wird.”
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder beantragte daraufhin gegen den Angeklagten den Erlass eines Strafbefehls in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 55,00 DM. Das Gericht beraumte von Amts wegen Termin zur Hauptverhandlung an. Im Hauptverhandlungstermin am 17.12.2001 regte das Gericht an, das Verfahren gemäß § 31 a BtmG einzustellen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erteilte hierzu seine Zustimmung nicht. Lediglich eine Einstellung gemäß § 153 a StPO bzw. gemäß der §§ 45, 47 JGG, jeweils gegen Geldauflage in Höhe von 400,00 bis 500,00 DM wurde seitens des Sitzungsvertreters akzeptiert. Der Angeklagte und das Gericht waren hierzu nicht bereit. In Folge setzte das Gericht das Verfahren zur ersten Prüfung einer möglichen Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Betäubungsmittel Vorschriften aus.
Zu dem neu anberaumten Hauptverhandlungstermin lud das Gericht die Sachverständigen Prof. Dr. Dieter Kleiber von der Freien Universität Berlin, Dr. Peter Cohen von der Universität Amsterdam sowie Prof. Ambrus Uchtenhagen vom Institut für Suchtforschung in Zürich. Zugleich holte es eine behördliche Auskunft des Bundesministers für Gesundheit ein.
Im Rahmen der am 11.03.2002 durchgeführten Hauptverhandlung wurde zu der Gefährlichkeit von Cannabisprodukten Beweis erhoben. Die geladenen Sachverständigen wurden gutachterlich gehört und die zwischenzeitlich eingegangene behördliche Auskunft des Bundesministers für Gesundheit verlesen. Nach Schluss der Beweisaufnahme beantragte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,00 EUR zu verurteilen. Die Verteidigerin beantragte dagegen das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme musste das Amtsgericht Bernau feststellen, dass die Wirkungen und Konsequenzen des Cannabiskonsums nicht die Gefährlichkeit besitzen, wie dies noch 1994 angenommen wurde. Aufgrund der gutachterlichen Stellungnahmen konnte weiter festgestellt werden, dass zwischen Cannabiskriminalisierung und Cannabiskonsum keinerlei Zusammenhang besteht und dass insbesondere eine Kriminalisierung nicht zur Eindämmung des Cannabiskonsums führt. Unter weiterer Prüfung rechtswissenschaftlicher Literatur und Judikatur konnte das Gericht darüber hinaus die rechtliche Überzeugung gewinnen, dass eine Vereinheitlichung der Rechtsanwendungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Eigenkonsum von Cannabisprodukten nicht erfolgt ist.
Nach Aussetzung des Verfahrens erteilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit Fax vom 15.03.2002 sodann die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 31 a Abs. 2 BtmG. Die zuständige Staatsanwaltschaft begründete ihre nunmehr...