Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 592,92 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und gem. den §§ 143 Abs. 1 Insolvenzordnung, 818 ff. BGB auch begründet. Die Beklagte ist aufgrund der vorgenannten Bestimmungen verpflichtet, die streitgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September und Oktober 2003 in Höhe von 592,92 EUR an den Kläger zur Insolvenzmasse zurückzuzahlen.

Die vom Kläger mit Schreiben vom 11.02.2004 erklärte Insolvenzanfechtung der Zählung der Sozialversicherungsbeiträge ist wirksam. Das Anfechtungsrecht des Klägers ergibt sich aus den §§129, 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung. Einem entsprechenden Anfechtungsrecht des Klägers steht nicht entgegen, dass dieser die Zahlungen in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter, auf den gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin übergegangen war, selbst getätigt hat. Bei den durch den verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalter gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen besteht nämlich aufgrund der gesetzlichen Sonderbehandlung in § 55 Abs. 3 Satz 2 Insolvenzordnung ein insolvenzrechtliches Anfechtungsrecht.

An die Sozialversicherungsträger abgeführte Arbeitnehmeranteile unterliegen allgemein der insolvenzrechtlichen Anfechtung nach den §§ 129 ff. Insolvenzordnung. Soweit vertreten wird, aufgrund des besonderen Schutzes der Beiträge zur Sozialversicherung in § 266 a StGB seien diese auch insolvenzrechtlich als privilegiert anzusehen und deshalb von einer Anfechtung auszunehmen (OLG Dresden ZIP 2003, 360 – Brückel/Kersten, NZI 2004, 422, 424) folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Es schließt sich vielmehr der herrschenden Meinung an, wonach die Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. Insolvenzordnung auch für die Sozialversicherungsbeiträge gelten (BGH NJW 2002, 2568, OLG Hamburg, ZIP 2002, 1360, 1362 ff.; Röpke/Rothe, NZI 2004, 430 ff.). Denn die Strafbewehrung der originären Schuldnerpflicht führt nicht zu einer Privilegierung in der Insolvenz in der Form des Ausschlusses der späteren Anfechtung. Vielmehr fehlt es gerade im neuen Insolvenzrecht an einer Privilegierung der Forderung der Sozialversicherungsträger.

Eine Anfechtung durch den Kläger ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er als vorläufiger Insolvenzverwalter die anfechtbare Rechtshandlung selbst vorgenommen hat. Er hat durch die Zahlung im Insolvenzgeldzeitraum insbesondere keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 Insolvenzordnung begründet.

Rechtshandlungen des verwaltungs- und verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters (so genannter „starker” vorläufiger Insolvenzverwalter) sind zwar grundsätzlich nicht anfechtbar nach den §§ 129 ff. Insolvenzordnung (OLG Celle, NZI 2003, 95, 96; OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, 13 U 113/04; Kirchhoff in Münchener Kommentar Insolvenzordnung 2002, § 129 Randnummer 45). Regelmäßig werden durch seine Handlungen mit Verfügungsbefugnis nämlich Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Insolvenzordnung begründet oder beglichen, die nicht der Anfechtung unterliegen. Denn mit der gesetzlichen Regelung soll das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Handlungen des mit einer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalters gestärkt werden. Dem verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwaltersoll es im Rahmen der Betriebsfortführung möglich sein, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Diese Regelung wäre sinnlos, wenn die Masseverbindlichkeiten nach einer Verfahrenseröffnung wieder im Wege der Anfechtung beseitigt werden könnten.

Ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters für Handlungen des „starken” vorläufigen Insolvenzverwalters besteht dem gegenüber aber dann, wenn offene Forderungen nicht als Masseverbindlichkeiten, sondern als normale Insolvenzforderungen gem. § 38 Insolvenzordnung einzuordnen sind. Bei Sozialversicherungsbeiträgen innerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes handelt es sich nicht um nicht anfechtbare Masseverbindlichkeiten (Henckel in: Jaeger, § 55 Insolvenzordnung Randnummer 96). Nach § 55 Abs. 3 Insolvenzordnung werden nach § 55 Insolvenzordnung vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Ansprüche wieder zu Insolvenzforderung herabgestuft, soweit es sich um nach § 187 SGB Abs. 3 auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche und den damit verbundenen Gesamtsozialversicherungsbeitrag handelt. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass die Insolvenzmasse durch auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Entgeltforderungen als Masseverbindlichkeiten aufgezehrt wird (vgl. Bundestagsdrucksache 14/5680, 25, 26). Aufgrund der Sonderregelung des § 208 II SGB III hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge zu § 187 ...

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