Entscheidungsstichwort (Thema)
Luftbeförderungsvertrag. Gerichtsstandsvereinbarung. internationales Zivilprozessrecht. elektronische Form. AGB-Klauselkontrolle
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gerichtsstandsvereinbarung entspricht nicht der elektronischen Form des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO, wenn sie in AGB getroffen wird, die durch die "click-wrapping-Methode" in den Vertrag einbezogen worden sind.
2. Eine in AGB vereinbarte Gerichtsstandsklausel, die den Gerichtsstand nach Art. 33 MÜ ausschließt, ist unwirksam, weil dieser nach Art. 49 MÜ nicht abbedungen werden kann.
Normenkette
EGV 44/2001 Art. 23 Abs. 2; EWGRL 13/93 Anhang 1 lit. q); MÜ Art. 33, 49
Tenor
Das Amtsgericht Geldern ist international zuständig.
Tatbestand
Die Parteien haben einen Vertrag über eine Luftbeförderung der Kläger von A..... nach B...... geschlossen, die am 02.11.2010 erfolgen sollte. Die Buchung erfolgte über die Internetseite der Beklagten. Bei der Buchung mussten die AGB der Beklagten durch die Kläger durch Anklicken eines Kästchens bestätigt werden (sog. "click-wrapping-Prinzip"). Diese AGB enthalten u.a. eine Vereinbarung dass für den Vertrag irisches Recht gelte. Zudem ist folgende Klausel enthalten: "Alle Streitigkeiten, die aus dem oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, unterliegen der Zuständigkeit irischer Gerichte." Planmäßig sollte die Maschine um 07.55 Uhr in A...... starten und um 10.40 Uhr in B...... landen. Tatsächlich hob die Maschine aber erst 9 Stunden später ab.
Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen nach der Rechtsprechung des EuGH aufgrund der Verspätung Ausgleichsansprüche analog Art. 7 FluggastrechteVO zustünden. Zudem habe die Beklagte die nach Art. 9 FluggastrechteVO vorgeschriebenen Leistungen nicht erbracht.
Die Kläger beantragen,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 415,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2010 zu zahlen;
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Flug habe sich wegen eines unerwarteten technischen Defekts verzögert, weil die Beklagte eine Ersatzmaschine habe beschaffen müssen. Dies sei nicht schneller möglich gewesen. Zudem stehe Fluggästen bei Verspätungen kein Ausgleichsanspruch zu, weil die Rechtsprechung des EuGH in dieser Hinsicht gegen das Montrealer Übereinkommen verstoße. Mit Schriftsatz vom 29.03.2010 hat die Beklagte überdies erstmals die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Geldern gerügt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 280 ZPO wird zunächst abgesondert über die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Geldern entschieden. Dieses ist gemäß Art. 5 Nr. lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO international zuständig. Die Parteien haben seine Zuständigkeit nicht gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 EuGVVO abbe-dungen.
I.
Die Gerichtsstandsklausel in den AGB der Beklagten ist formnichtig. Sie ist nicht in elektronischer Form im Sinne von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO geschlos-sen worden.
1.)
Das "click-wrapping-Prinzip" entspricht nicht der elektronischen Form des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO, die der Schriftform des Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 1 EuGVVO gleichgestellt ist. Bei einem in klassischer Schriftform geschlossenen Vertrag liegt beiden Parteien der Vertragstext auch nach Vertragsschluss vollständig und jederzeit einsehbar vor. Dies ist beim "click-wrapping-Prinzip" hingegen nicht zwingend der Fall. Wird der Text nicht ausgedruckt, entspricht eine durch "click-wrapping" abgegebene Willenserklärung eher einer mündlichen Vereinbarung, da sie flüchtig und anschließend (jedenfalls für den Vertragspartner des Verwenders) nicht mehr vollständig reproduzierbar ist. Eine Vergleichbarkeit mit der Schriftform läge aber allenfalls dann vor, wenn eine Bestätigung der AGB nur möglich wäre, nachdem man diese ausgedruckt hat. Dies ist aber auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erforderlich. Es ist auch nicht hinreichend, dass man die (aktuellen) AGB der Beklagten auf deren Internetseite abrufen kann, da dies nicht gewährleistet, dass diese mit denen übereinstimmen, die in den zuvor abgeschlossenen Vertrag einbezogen wurden.
2.)
Eine Gerichtsstandsvereinbarung durch "click-wrapping" wäre daher gemäß Art. 23 Abs. 2, Abs. 1 S. 3 lit. a) Fall 2 EuGVVO nur formwirksam, wenn sie in schriftlicher oder elektronischer Form bestätig worden wäre. Die Beklagte hat keine derartige Bestätigung an die Kläger versandt. Für eine Bestätigung in elektronischer Form genügt nicht, dass der Vertragspartner des Verwenders die AGB bei Vertragsschluss ausdrucken kann. Eine entsprechende Bestäti-gung wäre etwa die Übersendung durch Fax oder Email, da der Kunde in diesen Fällen - ebenso wie bei Übersendung einer schriftlichen Bestätigung - den vollständigen Vertragstext ohne sein Zutun erhält. Die Möglichkeit ...