Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der sachlichen Zuständigkeit für Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach dem GewSchG
Tenor
Das Amtsgericht Hamburg – Barmbek erklärt sich sachlich für unzuständig.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegenüber ihrem 19-jährigen Sohn. Mit ihrer Antragsschrift vom 30.4.2003 trug die Antragstellerin zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hamburg – Barmbek vor, dass es verschiedene Vorfälle in der – auch – jüngsten Vergangenheit gegeben habe, im Rahmen derer ihr Sohn, der Antragsgegner M.H., die Familie durch aggressives Verhalten bedroht und sie beleidigt habe. Nähere Ausführungen zur Art und Dauer des familiären Zusammenlebens sind der durch die Rechtspflegerin aufgenommenen Antragsschrift und der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin nicht zu entnehmen. Eine persönliche Befragung der Antragsstellerin war im Nachgang zur Antragstellung nicht möglich.
Entscheidungsgründe
II.
Eine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Hamburg – Barmbek ist nicht gegeben. Die von der Antragstellerin begehrten Schutzanordnungen unterfallen dem Regelungsbereich des Gesetzes zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 (BGBl. I, S. 3513: Art. 13 – [Gewaltschutzgesetz; GewSchG]); sachlich zuständig für eine Entscheidung des im Wege des Eilrechtsschutzes gelten gemachten Begehrens ist ausschließlich das Familiengericht nach § 23b Nr. 8a GVG in Verbindung mit §§ 621 Abs. 1 Nr. 13, 620 Nr. 8 ZPO.
Das Gewaltschutzgesetz ist entgegen der Rechtsauffassung des formlos abgebenden Familiengerichts anwendbar. Die Antragstellerin macht ein Betretensverbot geltend. Dieses unterfällt grundsätzlich dem Regelungsbereich der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GewSchG. Nach § 23b Nr. 8a GVG ist für Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz jedoch nur dann die familiengerichtliche Zuständigkeit eröffnet, wenn die Beteiligten einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen oder innerhalb von sechs Monaten vor der Antragstellung geführt haben.
Die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes erstrecken sich gerade auch auf Formen häuslicher Gewalt, die von Kindern gegen ihre Eltern eingesetzt werden. Auf diesen Anwendungsbereich hebt schon der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich ab (BT-Drs. 14/5229, S. 17 r. Sp.). Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum diese mögliche Gefahr aus dem familiengerichtlichen Schutzbereich des Gesetzes herausgelöst werden sollte. Auch bei Heranwachsenden und Kindern kann sich eine körperliche Unterlegenheit des betroffenen Elternteils und mithin eine Schutzbedürftigkeit im Sinne des Gesetzes (vgl. BT-Drs. 14/5428, S. 10 l. Sp.) einstellen, welche die Schutzreflexe der in Rede stehenden Normen auslösen sollte.
Soweit das Familiengericht vorliegend davon ausgeht, dass Volljährige mit ihren Eltern keinen gemeinsamen Haushalt führten und mithin der familiengerichtliche Anwendungsbereich des spezialgesetzlichen Gewaltschutzgesetzes in diesen Fällen zu keiner Zeit eröffnet sei, vermag sich das angerufene Gericht dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen. Zwar kann sich das Familiengericht dabei mit dem Verweis auf Schumacher (in: FamRZ 2002, 645ff.) auf eine – wohl auch am Gesetzgebungsverfahren beteiligte – Stimme des Schrifttums berufen. Gleichwohl vermag diese Auffassung das Gericht inhaltlich nicht zu überzeugen.
Zunächst ist zu konstatieren, dass eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung die hier vertretene Ansicht einer familiengerichtlichen Zuständigkeit stützt, jedenfalls ihr aber nicht entgegensteht. Es ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen volljährige Kinder zu keiner Zeit oder jedenfalls grundsätzlich keinen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt im Sinne der … § 23b Nr. 8a GVG und § 621 Abs. 1 Nr. 13 ZPO mit ihren Eltern führen können. Zumindest ohne nähere Anhaltspunkte kann dem jeweils zu entscheidenden Einzelfall der familiengerichtliche Schutzbereich des Gewaltschutzgesetzes deshalb nicht per se versagt werden.
Auch die historische Auslegung stützt die hier vertretene Rechtsauffassung. Die tatbestandliche Voraussetzung eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts ist – ausweislich der Gesetzesmaterialien – dem Mietrechtsreformgesetz entlehnt (BT-Drs. 14/5429, S. 20 und 30f.). Nach der dortigen Gesetzesbegründung ist unter dem Begriff eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts eine Lebensgemeinschaft zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, keine weiteren Bindungen gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Füreinandereinstehen begründen sowie über eine schlichte Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BR-Drs. 439/00, S. 92 unten).
Dass auch Volljährige mit ihren Eltern auf Dauer in einem gemeinsamen Haushalt wohnen können, wird – soweit ersichtlich – von Schumacher nicht in Frage gestellt. Nach Sch...