Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Entziehung des Wohnungseigentums als ultima ratio
Tenor
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 180.000,– DM.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft … Die Beklagten sind dort Eigentümer der im Erdgeschoß gelegenen, 70 Quadratmeter großen, 3-Zimmer-Wohnung Nr. 8, eingetragen im Grundbuch von … Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, daß die Beklagten ihre Wohnung veräußern aufgrund folgenden Sachverhalts:
Die Beklagten hatten ihre Wohnung an Herrn und Frau R für monatlich 700.– DM plus 250.– DM Nebenkostenvorauszahlung (Kaution: 5000.– DM) ab 15.11.1979 vermietet. Die Mieter bezogen die Wohnung jedoch nicht selbst, sondern vermieteten sie an sieben oder acht Asylbewerber aus Bangladesh für monatlich wahrscheinlich 250.– DM pro Person. Diese Untermieter zogen auch wenige Tage später in die Wohnung ein.
In der Folgezeit fühlten sich verschiedene Bewohner des Hauses …, insbesondere die über der Wohnung der Beklagten wohnende Familie …, durch von den Bewohnern der Wohnung der Beklagten ausgehenden Geruchs- und Lärmbelästigungen beeinträchtigt. Sie wandten sich an die Hausverwaltung, die die Beklagten verschiedentlich erfolglos zur Änderung der ihrer Meinung nach unerträglichen Zustände aufforderte.
Nachdem die Stadt S Herrn … die Ausübung jeglichen Gewerbes untersagt hatte, verboten die Beklagten mit Schreiben vom 02.03.1980 Herrn und Frau … „jegliche Handlung im Bezug auf die … Wohnung”. Die Beklagten setzten nun nicht etwa eine Räumung der Untermieter durch, sondern übernahmen in der Folgezeit die „Betreuung” der Asylbewerber und vereinnahmten auch direkt die Miete von diesen. Der Beklagte Ziffer 1 versuchte durch häufige Kontrollen, Verbote und Hinweise für die Asylbewerber Belästigungen abzustellen.
Am 10.06.1980 faßte die Wohnungseigentümerversammlung ordnungsgemäß folgenden Beschluß mit der notwendigen Mehrheit (Ergebnis: über 3/4tel der anwesenden und vertretenden Eigentümer und über 3/4tel der Miteigentumsanteile):
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft, verlangt von den Beklagten … die Veräußerung ihres Wohnungseigentums an der im Erdgeschoß des Hauses … gelegenen Eigentumswohnung Nr. 8.”
Die Klägerin beantragt daher:
Die Beklagten haben die im Erdgeschoß des Hauses … gelegene Wohnung Nr. 8, eingetragen im Grundbuch von S- … zu veräußern.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten, daß die Lärm- und Geruchsbelästigungen unerträglich seien, räumen aber eine gewisse Unsauberkeit und Geruchsbelästigung durch die Untermieter, letztere vor allem wegen der andersartigen Kochgewohnheiten, ein.
Das Gericht hat die Zeugen …, (Blatt 55/59 der Akten), … (Blatt 59 der Akten), … (Blatt 60 der Akten), … (Blatt 65/66 der Akten), … (Blatt 67 der Akten), …, … (Blatt 67/68 der Akten), …, … (Blatt 68 der Akten), … (Blatt 69 der Akten), … (Blatt 69 der Akten) vernommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Entziehung des Eigentums gemäß § 18 WEG ist ein so bedeutsamer Einschnitt, daß sie erst als letztes Mittel in Frage kommt, wenn also weniger schwere rechtliche Maßnahmen ausgeschöpft sind oder nicht in Frage kommen (Amtsgericht München MDR 1961, 604; Palandt § 18 WEG Anmerkung 2). Solche rechtlichen Möglichkeiten sind hier vorhanden und nicht ausgeschöpft.
1.)
Diese einschränkende Auslegung des § 18 WEG ergibt sich daraus, daß eine Wohnungseigentumsgemeinschaft grundsätzlich unauflöslich ist und daß eine Veräußerungspflicht praktisch eine privatrechtliche Enteignung darstellt. Nachdem bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „so schwere Verletzung …, daß die Fortsetzung der Gemeinschaft … nicht mehr zugemutet werden kann …” auch die Grundrechte heranzuziehen sind (sogenannte mittelbare Drittwirkung, vergleiche Palandt § 242 Anmerkung 1 d, aa), insbesondere Artikel 14 Grundgesetz in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ist § 18 dahingehend auszulegen, daß er nur als letztes Mittel in Frage kommt.
2.)
Diese rechtlichen Mittel sind hier vorhanden und nicht ausgeschöpft. Wegen sämtlicher Störungen von Seiten der Bewohner der Wohnung der Beklagten kann die Wohnungstümergemeinschaft oder der einzelne Eigentümer oder Mieter einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten oder gegen die Bewohner von deren Wohnung im Wege der Klage oder einstweiligen Verfügung vorgehen. Dies gilt für die Lärmbelästigungen (häufiges Türenschlagen am frühen Morgen, klingeln und klopfen spät Abends oder Nachts) und Geruchsbelästigungen (Abfallgeruch, Schmutzbrühe durch Rolladen und unter der Tür; andersartige Kochgerüche auch Nachts). Diese Rechtsbehelfe erscheinen auch nicht nutzlos, da ein entsprechender Verpflichtungstitel mit Ordnungsmaßnahmen gemäß § 890 ZPO verbunden werden kann und zumal die Beklagten unbestritten versucht haben, die Beeinträchtigungen durch Einwirkungen auf die Bewohner ihrer Wohnung abzustellen. Wieder durch eine Unt...