Leitsatz (amtlich)

1. Wer sich einer Firma bedient, die für ihre Kunden Post entgegennimmt und weiterleitet, nutzt diese wie ein Postfach. Die Angabe einer solchen Firmenadresse in einer Klageschrift ist keine ladungsfähige Anschrift i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

2. Ein Wohnungseigentümer, der – in einem Rechtsstreit, der am 01.12.2020 bereits anhängig war – sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, verliert seine Prozessführungsbefugnis, wenn der Verwalter gegenüber dem Gericht schriftlich erklärt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Fortsetzung des Rechtsstreits nicht wünscht, auch wenn der Wohnungseigentümer den Beschluss, der dieser Erklärung zu Grunde liegt, fristgerecht angefochten hat. Es ist nicht erforderlich, den Rechtsstreit im Hinblick auf die Anfechtungsklage auszusetzen. (Fortführung der BGH-Entscheidung vom 07.05.2021 Az. V ZR 299/19)

 

Normenkette

ZPO § 253

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin, die nicht in Wiesbaden wohnt, sondern zwei Wohnsitze im Ausland hat, ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Das Gebäude ist ein Terrassenhaus, das stufenartig in den Hang hinein gebaut wurde. Die Wohnungen auf den einzelnen Etagen haben somit eine vorgelagerte oder seitlich angrenzende Terrasse. Als Brüstung der Terrassen dienen integrierte Blumentröge aus Beton. Bei Erstellung des Gebäudes wurden die Terrassen mit Waschbetonfliesen belegt und die Blumentröge aus Beton einheitlich „cremeweiß” gestrichen. Im Laufe der Jahre haben die Beklagten auf den jeweils zu ihren Wohnungen gehörenden Terrassen teilweise den Belag ausgetauscht und teilweise die Blumentröge mit einer anderen Farbe gestrichen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 12 ff der Akte Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Klage, die am 25. November 2020 bei Gericht einging, begehrt die Klägerin von den Beklagten den Rückbau der vorgenommenen baulichen Maßnahmen. Die Klägerin behauptet, bei dem Anwesen handele sich um ein sogenanntes Schweizer Terrassenhaus. Die Farbgebung und die auf den Terrassen verlegten Waschbetonfliesen seien ein prägendes Gestaltungsmerkmal. Indem die Beklagten dies verändert hätten, hätten sie in den optischen Gesamteindruck des Anwesens eingegriffen, wodurch die Klägerin benachteiligt werde. Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei als Wohnungseigentümerin weiterhin berechtigt, diese Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.

In der Eigentümerversammlung am 07.04.2021 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 3, sämtliche von der Klägerin gerügten baulichen Veränderungen nachträglich zu genehmigen und lehnten gleichzeitig, einen Antrag der Klägerin, sie zur Fortsetzung des Rechtsstreits zu ermächtigen ab. Beide Beschlüsse wurden von der Klägerin fristgerecht angefochten. Mit Schreiben vom 12.05.2021 hat die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Gericht ausdrücklich erklärt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht bereit ist, die Klägerin zur Geltendmachung der Rückbauansprüche zu ermächtigen. Wegen des genauen Wortlauts des Schreibens wird auf Blatt 169 der Akte Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen,

hinsichtlich der Wohnung mit der Nummer 01 der Wohnungseigentümergemeinschaft A Wiesbaden

die von ihnen aufgebrachten Bodenfliesen auf der Terrasse zu entfernen und Waschbetonfliesen mit einer Körnung von 8 bis 16 Millimetern mit den Maßen 0,50 X 0,50 X 0,05 Metern aufzubringen;

den von ihnen geänderten Anstrich an den Blumentrögen und an dessen Betonsockel an der Terrasse zu entfernen und die Blumentröge sowie die darunter liegenden Terrassensockel mit dem Brillux Farbton 15.03.21 und die Stützen der Blumentröge mit dem Farbton mit dem Brillux Farbton 15.03.24 zu versehen;

den von ihnen auf dem Stahlrahmen und der darin befindlichen Holzkonstruktion, die die Terrassen auf der Etage, auf der unter anderem ihre Wohnung gelegen ist, abgrenzt, aufgebrachten Anstrich zu entfernen;

den Beklagten zu 3. zu verurteilen,

hinsichtlich der Wohnung mit der Nummer 02 der Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden

die von ihm aufgebrachten Bodenfliesen auf der Terrasse zu entfernen und Waschbetonfliesen mit einer Körnung von 8 bis 16 Millimetern mit den Maßen 0,50 X 0,50 X 0,05 Metern wieder sichtbar zu verlegen;

den von ihm geänderten Anstrich an den Blumentrögen und an dessen Betonsockel an der Terrasse zu entfernen und die Blumentröge sowie die darunter liegenden Terrassensockel mit dem Brillux Farbton 15.03.21 und die Stützen der Blumentröge mit dem Farbton mit dem Brillux Farbton 15.03.24 zu versehen;

den von ihnen auf dem Stahlrahmen und der darin befindlichen Holzkonstruktion, die die Terrassen auf der Etage, auf der unter anderem ihre Wohnung geleg...

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