Zugewinnausgleichsanspruch entsteht mit Beendigung des Güterstands
Nach Beendigung des Güterstands – in der Regel nach rechtskräftiger Scheidung – steht dem Ehegatten, der in der Ehe einen geringeren Zugewinn erwirtschaftet hat, ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu (§ 1378 BGB). Dieser Anspruch kann in einem isolierten Verfahren geltend gemacht werden oder auch als Folgesache im Verbund.
Wechselseitige Zugewinnausgleichsansprüche
Nicht selten sind beide Ehegatten der Auffassung, dass ihnen jeweils ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten zustehe. Dies führt dann dazu, dass wechselseitig die Zahlung von Zugewinnausgleich beantragt wird. Nach Abschluss solcher Verfahren stellt sich die Frage, wie der Verfahrenswert zutreffend festzusetzen ist. Dabei kommt es auf die Vorschrift des § 39 FamGKG an, die bestimmt, dass die Verfahrenswerte von Antrag und Widerantrag grds. zu addieren sind (§ 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Anders verhält es sich nur dann, wenn Antrag und Widerantrag derselbe Streitgegenstand zugrunde liegt. Dann gilt nur der höhere der beiden Werte (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG).
Frühere Auffassung: derselbe Gegenstand
Früher wurde einhellig die Auffassung vertreten, es liege bei Antrag und Widerantrag auf Zugewinn derselbe Streitgegenstand vor, da sich beide Anträge naturgemäß ausschließen würden. Das Zusprechen des Antrags führe also zwingend zur Abweisung des Widerantrags und das Zusprechen des Widerantrags zwingend zur Abweisung des Antrags. Daher läge derselbe Streitgegenstand zugrunde. Diese Auffassung wird – soweit ersichtlich – immer noch von einigen Senaten des OLG Hamm vertreten.
1. Bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität werden die Streitwerte von Klage und Widerklage nicht zusammengerechnet.
2. Eine solche ist bei wechselseitiger Geltendmachung von Zugewinnausgleich gegeben, da zwangsläufig nicht beide Klagen erfolgreich sein können.
OLG Hamm (10. Senat), Beschl. v. 9.8.2006 – 10 WF 154/06
Zutreffend sind verschiedene Gegenstände anzunehmen
Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Zusätzlich zu dem Erfordernis, dass sich die Anträge wechselseitig ausschließen müssen, kommt das Erfordernis der wirtschaftlichen Identität hinzu. Daran fehlt es aber bei wechselseitigen Anträgen auf Zugewinnausgleich. Das Interesse an der Abweisung des gegnerischen Antrags ist nicht identisch mit dem eigenen Interesse, selbst Zugewinnausgleich zu erhalten.
Daher nimmt die jüngere Rechtsprechung zu Recht auch stets eine Wertaddition an.
Der Verfahrenswert eines Zugewinnverfahrens ergibt sich aus der Addition der wechselseitigen Forderungen. Nur durch das Zusammenrechnen der mit Antrag und Widerantrag verlangten Beträge wird das Ausmaß des Streits der Beteiligten umfassend berücksichtigt, da eine Prüfung der einzelnen Vermögenspositionen, die nicht unbedingt in Antrag und Widerantrag identisch sein müssen, erforderlich ist.
OLG Hamm (7. Senat), Beschl. v. 9.3.2016 – II-7 WF 16/16, AGS 2016, 230 = NZFam 2016, 423
Beispiel 1: Antrag und Widerantrag auf Zugewinn
Der Ehemann beantragt Zugewinnausgleich i.H.v. 20.000,00 EUR. Die Ehefrau erhebt Widerantrag auf Zugewinnausgleich i.H.v. 30.000,00 EUR.
Der Wert des Verfahrens beläuft sich auf 50.000,00 EUR.
Addition auch bei Anträgen aus Auskunft und Zahlung
Zu addieren ist auch dann, wenn wechselseitig Auskunft verlangt wird oder wechselseitig Zahlung und Auskunft beantragt werden.
Beispiel 2: Antrag und Widerantrag (Zahlung und Auskunft)
Der Ehemann beantragt, die Ehefrau zur Zahlung von 20.000,00 EUR Zugewinn zu verpflichten. Die Ehefrau beantragt Abweisung. Da sie der Auffassung ist, nicht dem Antragsteller, sondern ihr stehe Zugewinn zu, beantragt sie im Wege des Widerantrags, den Ehemann zu verpflichten, Auskunft über sein Endvermögen zu erteilen.
Die Werte von Zahlung und Auskunft sind zu addieren.
Beispiel 3: Antrag und Widerantrag auf Auskunft (I)
Beide Eheleute sind der Auffassung, dass ihnen ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zustehe. Die Ehefrau beantragt daraufhin Auskunft über das Anfangs- und Endvermögen des Ehemannes. Dieser erhebt einen Widerantrag auf Auskunft über das Anfangs- und Endvermögen der Ehefrau.
Da beide Auskunftsansprüche verschiedene Gegenstände betreffen, nämlich jeweils den Zugewinnausgleichsanspruch, wird nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG addiert.
Keine Addition bei Auskunftsanträge...