I. Überblick
Vollstreckungsbescheidgebühr ist Verfahrensgebühr
Erwirkt der Anwalt im Mahnverfahren einen Vollstreckungsbescheid, so erhält er hierfür neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3305 VV eine weitere Gebühr nach Nr. 3308 VV. Diese Gebühr wird in der Praxis als „Vollstreckungsbescheidgebühr“ bezeichnet, was dazu führt, dass sich die Ansicht festgesetzt hat, diese Gebühr entstehe nur bei Erlass eines Vollstreckungsbescheids. Tatsächlich handelt es sich um eine Verfahrensgebühr, die für die Tätigkeit des Anwalts im Verfahren über den Erlass eines Vollstreckungsbescheids entsteht. Ob der Vollstreckungsbescheid erlassen wird oder nicht, ist unerheblich.
Der Anwalt erhält den Auftrag für ein Mahnverfahren über 5.000,00 EUR. Da kein Widerspruch eingelegt wird, beantragt der Anwalt den Erlass eines Vollstreckungsbescheids. Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
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301,00 EUR |
2. |
0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3308 VV |
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150,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
471,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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89,59 EUR |
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Gesamt |
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561,09 EUR |
II. Auftrag
In der Regel bedingter Auftrag bei Ausbleiben des Widerspruchs
Voraussetzung ist, dass der Anwalt einen Auftrag hatte, im Verfahren über Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids tätig zu werden. In der Regel wird dieser Auftrag zusammen mit dem Mahnauftrag (bedingt) erteilt. Der Anwalt erhält den unbedingten Auftrag, einen Mahnbescheid zu erwirken und den bedingten Auftrag, einen Vollstreckungsbescheid zu beantragen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, nämlich dass die „Widerspruchsfrist“ des § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO abgelaufen ist, ohne dass der Antragsgegner Widerspruch eingelegt hat.
Isolierter Auftrag nur für Vollstreckungsbescheid möglich
In Betracht kommt aber auch, dass der Mandant das Mahnverfahren selbst betrieben hat und er den Anwalt erstmals mit dem Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids beauftragt. Solche Fälle kommen insbesondere dann vor, wenn sich im Verfahren über den Erlass des Vollstreckungsbescheids Schwierigkeiten ergeben, so wie im Fall des LG Bonn (AGS 2005, 340 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2005, 350), als wegen „Untertauchens“ des Antragsgegners die öffentliche Zustellung beantragt werden musste.
III. Das Entstehen der Gebühr
Die Verfahrensgebühr der Nr. 3305 VV entsteht unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 2 VV, also sobald der Anwalt im Verfahren auf Erlass des Vollstreckungsbescheids tätig wird. Die Tätigkeit kann aber auch noch nach Erlass des Vollstreckungsbescheids entfaltet werden, etwa wenn der Anwalt nur mit der öffentlichen Zustellung des Vollstreckungsbescheids beauftragt wird (LG Bonn AGS 2005, 340 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2005, 350).
Ausreichend ist insoweit jede Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags. Die noch zu § 43 BRAGO vertretene Auffassung des OLG Bamberg (JurBüro 1980, 721), wonach die Gebühr erst mit Eingang des Vollstreckungsbescheid-Antrags bei Gericht entstehen soll, ist mit dem Gesetz – jedenfalls mit dem RVG – nicht vereinbar.
In der Regel wird der Anwalt seine Tätigkeit dadurch entfalten, dass er den Antrag stellt und an das Gericht schickt.
Vollstreckungsbescheid muss nicht erlassen werden
Voraussetzung für die Gebühr ist nicht, dass der Vollstreckungsbescheid auch erlassen wird. Daher entsteht die Gebühr auch dann, wenn nach Ablauf der 14-tägigen Gelegenheit, Widerspruch einzulegen (§ 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), der Vollstreckungsbescheid beantragt wird, vor dessen Eingang dann aber doch noch ein Widerspruch erhoben wird, so dass der Vollstreckungsbescheid nicht mehr erlassen werden darf (OLG Karlsruhe Rpfleger 1996, 421; OLG Hamburg JurBüro 2000, 473).
Hatte der Antragsgegner dagegen rechtzeitig innerhalb der 14 Tage des § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Widerspruch eingelegt, kommt es erst gar nicht zu einem Verfahren auf Erlass des Vollstreckungsbescheids, so dass eine Gebühr nach Nr. 3308 VV auch nicht anfallen kann.
Anders verhält es sich dagegen, wenn nachträglich ein rechtzeitig eingelegter Widerspruch wieder zurückgenommen wird. Dann ist der Erlass eines Vollstreckungsbescheids wieder möglich, so dass der Anwalt für einen entsprechenden Antrag wiederum die Gebühr nach Nr. 3308 VV erhält.
Die Gebühr der Nr. 3308 VV entsteht auch dann, wenn der Widerspruch erst im streitigen Verfahren zurückgenommen wird. In diesem Fall ist aus prozessökonomischen Gründen zwar das Prozessgericht für den Erlass des Vollstreckungsbescheids zuständig; dies ändert jedoch nichts daran, dass die Sache in das Verfahren auf Erlass des Vollstreckungsbescheids zurückversetzt wird und die dort vorgesehenen Gebühren anfallen können.
Der Anwalt erhält den Auftrag für ein Mahnverfahren über 7.500,00 EUR. Der Antragsgegner legt fristgerecht Widerspruch ein. Nach Abgabe an das zuständige LG wird vor mündlicher Verhandlung der Einspruch zurückgenommen. Das LG erlässt daraufhin antragsgemäß den Vollstreckungsbescheid.
Mit der Rücknahme des Streitantrags wird die Sache wieder in das Mahnverf...