I. Anwendungsbereich
Grundgebühr für erstmalige Einarbeitung
In Nr. 5100 VV ist ebenso wie in Strafsachen (Nr. 4100 VV) eine Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall vorgesehen.
Grundgebühr gilt nur für Verteidiger und gleichgestellte Vertreter
Die Gebühr gilt zunächst einmal für den Verteidiger. Sie gilt auch für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, eines Zeugen oder eines Sachverständigen (Vorbem. 5.1 Abs. 1 VV). Daher entsteht die Gebühr auch in einem selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 29a OWiG (LG Oldenburg AGS 2014, 65 = RVGreport 2013, 62; LG Freiburg 29.10.2019 – 16 Qs 30/19; a.A. LG Koblenz AGS 2018, 494 = RVGreport 2018, 38; OLG Karlsruhe AGS 2013, 173 = RVGreport 2012, 301).
Keine Grundgebühr bei Einzeltätigkeiten
Dagegen kann die Grundgebühr nicht bei Einzeltätigkeiten nach Nr. 5200 VV entstehen (LG Bielefeld AGS 2020, 17).
Sie kann auch nicht für den im vorangegangenen Strafverfahren tätigen Verteidiger entstehen (s.u. IV.).
II. Entstehen und Abgeltungsbereich
Gebühr entsteht mit Auftragserteilung
Die Grundgebühr entsteht mit Auftragserteilung. Sie entsteht neben der jeweiligen Verfahrensgebühr (s.u. VII.) für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV). Sie gilt also lediglich für die erste Entgegennahme der Information und Sichtung des Sachverhalts und Verfahrensstoffes – je nach Zeitpunkt auch die Akteneinsicht – ab. Alle weiteren Tätigkeiten werden durch die übrigen Gebühren abgegolten (s.u. VII.).
Die Grundgebühr kann in jedem Verfahrensstadium entstehen. Sie entsteht allerdings nur einmal (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV), nämlich in dem Verfahrensstadium, in dem der Anwalt erstmals tätig wird.
Im Gegensatz zu den strafrechtlichen Gebühren (Vorbem. 4.1.4 VV) ist der Anfall einer Grundgebühr im Wiederaufnahmeverfahren in Bußgeldsachen nicht ausgeschlossen. Daher kann die Grundgebühr auch hier entstehen. Sie fällt jedoch nur an, wenn der Verteidiger im Wiederaufnahmeverfahren erstmals beauftragt wird. War er zuvor bereits als Verteidiger tätig, kann die Grundgebühr nicht erneut entstehen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV), es sei denn zwischen Beendigung und Wiederaufnahme des Verfahrens liegen mehr als zwei Kalenderjahre (§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG)
Kommt es zu einer Verbindung mehrerer Bußgeldverfahren, bleiben die in den verbundenen Verfahren zuvor entstandenen Grundgebühren bestehen.
Im Falle einer Verfahrenstrennung entsteht dagegen für den bereits tätigen Verteidiger keine neue weitere Grundgebühr im abgetrennten Verfahren. War der Verteidiger dagegen vor der Trennung noch nicht beauftragt, sondern wird er erst in den getrennten Verfahren beauftragt, so erhält er jeweils eine gesonderte Grundgebühr.
III. Höhe der Gebühr
Grundgebühr ist Rahmengebühr
Die Grundgebühr beläuft sich in Bußgeldverfahren für den Wahlanwalt auf 30,00 EUR bis 170,00 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 100,00 EUR. Die Höhe der Grundgebühr ist nach § 14 Abs. 1 RVG gesondert zu bestimmen und richtet sich danach, welche Kriterien im Rahmen der erstmaligen Einarbeitung erfüllt sind. Daher kann, wenn die Einarbeitung umfangreich und schwierig ist, eine überdurchschnittliche Grundgebühr anzusetzen sein, auch wenn die Verfahrensgebühr nur unterdurchschnittlich zu bemessen ist. Umgekehrt kann die Grundgebühr unterdurchschnittlich sein, obwohl das nachfolgende Verfahren durchschnittlich oder gar umfangreich und schwierig ist (AG Viechtach DAR 2019, 58 = RVGreport 2019, 57).
Umfang der Akte ist nicht entscheidend
Zum Teil knüpft die Rspr. zur Beurteilung der Gebührenhöhe an den Umfang der Akte zum Zeitpunkt der ersten Akteneinsicht als wesentliches Indiz für den Aufwand bei der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall an. So geht das LG Düsseldorf (AGS 2018, 360 = RVGreport 2017, 373) davon aus, dass bei einem Aktenumfang von zwölf Seiten die Mittelgebühr zu unterschreiten sei. Das LG Leipzig (RVGreport 2009, 61) hat bei neun Seiten Aktenumfang einen Abschlag von 20 % auf die Mittelgebühr vorgenommen. Diese pauschale Betrachtung ist jedoch unzutreffend. Alleine der Umfang der Akten ist nicht das entscheidende Kriterium. Es mag sein, dass die Lektüre eines Anhörungsbogens in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren i.d.R. zeitlich wenig aufwendig ist; gleichzeitig darf jedoch das Erfordernis und die Durchführung einer Erörterung der Sach- und Rechtslage zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht unberücksichtigt bleiben (AG München AGS 2007, 81 = AnwBl 2007, 90 = RVGreport 2007, 23). Auch kurze Sachverhalte können rechtlich schwierig sein. Abgesehen davon kommt es auch vor, dass die Behörde nur unzureichend ermittelt und dokumentiert hat, sodass also noch ein umfangreiches "Einarbeitungsgespräch" mit dem Mandanten erforderlich ist.
Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt erhält eine Festgebühr i.H.v. 80,00 EUR.
Keine Staffelung
Eine Staffelung nach der Höhe der Geldbuße ist hier nicht vorgesehen. Die Höhe der Geldbuße spielt daher zwar unmittelbar keine Rolle; im Rahmen der Bedeutung der Sache (§ 14 Abs. 1 RVG) kann dieses Kri...