Leitsatz
Einem Rechtsanwalt steht die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV zu, wenn ein Scheidungsfolgenvergleich sich nicht darin erschöpft, dass bei festgestellten Versorgungsanwartschaften die danach ausgleichsberechtigte Partei mit Zustimmung der anderen auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet, sondern die Gesamteinigung darüber hinaus weitere zwischen den Parteien offene Rechtsprobleme regelt (hier: wechselseitiger Verzicht auf Zugewinnausgleich).
OLG Dresden, Beschl. v. 10.2.2009 – 20 WF 80/09
I. Der Fall
Die Parteien des Scheidungsverfahrens hatten auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet. Die beteiligten Anwälte meldeten hiernach im Rahmen der PKH-Vergütung u.a. auch eine Einigungsgebühr an. Diese setzte das Gericht ab mit der Begründung, es liege keine Einigung, sondern ein Verzicht vor und berief sich dabei auf OLG Stuttgart JurBüro 2006, 639 = OLGR 2007, 33 = FamRZ 2007, 232 = MDR 2007, 304 = NJW 2007, 1072 = FuR 2006, 573 = RVGreport 2006, 462; OLG Hamm OLGR 2007, 230 = FamRB 2007, 171).
II. Die Entscheidung
Keine Einigungsgebühr bei bloßem Verzicht
Die Frage, ob der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Einigungsgebühr auslöst, ist umstritten. Hintergrund ist, dass eine Einigung, die sich lediglich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt, keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV auslöst. Sofern die Parteien also lediglich auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten, fällt keine Einigungsgebühr an. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Ausgleichsansprüche feststehen (OLG Düsseldorf JurBüro 2008, 416 = OLGR 2008, 717 = FamRZ 2008, 2142).
Einigungsgebühr bei Ungewissheit über die Anwartschaften
Stehen die Ausgleichsansprüche noch nicht fest, weil die Auskünfte noch nicht vorliegen oder weil bestimmte Versorgungsanwartschaften, etwa betriebliche Anwartschaften, noch nicht geklärt sind, dann liegt in dem wechselseitigen Verzicht die Beseitigung einer Ungewissheit, nämlich der Ungewissheit, wer und in welcher Höhe ausgleichsberechtigt ist, Daher beschränkt sich in einem solchen Fall die Vereinbarung nicht auf einen bloßen Verzicht, sondern bezweckt eine Bereinigung der Rechtslage. In diesem Fall entsteht daher die Einigungsgebühr (OLG Naumburg AGS 2009, 222 = OLGR 2009, 429 = FamRZ 2009, 1089; OLG Köln OLGR 2008, 668 = NJW 2009, 237; OLG Celle OLGR 2008, 226 = FamRZ 2007, 2001).
Einigungsgebühr bei weitergehenden Vereinbarungen
Ebenso entsteht die Einigungsgebühr, wenn die Parteien zwar lediglich auf bestehende Ausgleichsansprüche verzichten, dies aber Gegenleistung dafür ist, dass der Ausgleichsverpflichtete im Gegenzug auf andere Ansprüche verzichtet.
Es steht fest, dass dem Ehemann Rentenanwartschaften in bestimmter Höhe zu übertragen wären. Der Ehemann verzichtet darauf, weil im Gegenzug die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. In diesem Fall liegen zwar für sich betrachtet jeweils zwei Verzichtserklärungen vor. Diese sind jedoch nur wechselseitig eine für die andere abgegeben, so dass insgesamt nicht lediglich von einem Verzicht auszugehen ist, sondern von einem gegenseitigen Nachgeben und damit von einer Einigung.
III. Praxistipp
Um die Einigungsgebühr zu erhalten, ist also bei Abschluss der Einigung über den Versorgungsausgleich darauf zu achten, dass er nicht als bloßer Verzicht protokolliert wird, sondern dass in der Vereinbarung zum Ausdruck kommt, dass eine Ungewissheit beseitigt wird, ohne dass der Verzicht auf die Versorgungsausgleichsansprüche als Gegenleistung für ein anderes Entgegenkommen gewährt wird.