Leitsatz
Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird, und nimmt der Arbeitnehmer im Hinblick darauf seine Kündigungsschutzklage zurück, entsteht für die beteiligten Anwälte eine Einigungsgebühr.
LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.3.2010 – 8 Ta 40/10
I. Der Fall
Der Arbeitnehmer hatte nach Zugang der Kündigung vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben. Dort hatten die Parteien sich geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Im Hinblick darauf hat der Kläger seine Kündigungsschutzklage zurückgenommen.
Im Anschluss daran beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der diesem im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet war, die Festsetzung seiner Vergütung aus der Landeskasse, darunter auch einer Einigungsgebühr, die allerdings nicht festgesetzt wurde. Der hiergegen erhobenen Erinnerung wurde nicht abgeholfen; die Beschwerde hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist eine Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV) entstanden. Diese Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Klagerücknahme stellen eine Einigung dar
Vorliegend haben die Parteien den Streit über die Wirksamkeit der Kündigung vertraglich beigelegt. Die Beklagte hat dem Kläger mit der "Rücknahme" der Kündigung angeboten, das Arbeitsverhältnis so fortzusetzen, als sei die Kündigung nicht ausgesprochen worden. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen.
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beinhaltet kein Anerkenntnis
Die damit zustande gekommene vertragliche Einigung beschränkte sich auch nicht auf ein Anerkenntnis der Beklagten. Die Parteien haben mit ihrer Vereinbarung über den Fortbestand und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr geregelt, als es der Beklagten einseitig durch ein Anerkenntnis möglich gewesen wäre, indem sie z.B. die Kündigung als rechtsunwirksam anerkannt hätte. Da es sich bei der Kündigung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann sie nach Zugang vom Kündigenden nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (BAG NJW 1983, 1628). Vielmehr bedarf es diesbezüglich der Zustimmung des Kündigungsempfängers, etwa in Form einer – wie vorliegend – Vereinbarung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus begibt sich der Arbeitnehmer mit einer solchen Einigung der für ihn im Einzelfall bestehenden Rechte aus §§ 9, 12 KSchG. Demzufolge entsteht eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV auch dann, wenn die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits sich auf die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses einigen und der Arbeitnehmer daraufhin die Klage zurücknimmt (ebenso LAG Berlin NZA-RR 2005, 488; LAG Niedersachsen AGS 2005, 281; LAG Köln NZA-RR 2006, 44 = RVGreport 2005, 468; LAG Düsseldorf MDR 2007, 59).
III. Der Praxistipp
Rechtsfrage bereits durch BAG geklärt
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG NZA 2006, 693 = NJW 2006, 1997 = JurBüro 2006, 581, 587 = DB 2006, 1280 = RVG-Letter 2006, 69 = ArbuR 2006, 215 = RVGreport 2006, 222 = ArbRB 2006, 203; ebenso bereits zur BRAGO: RVGreport 2006, 23 = ArbuR 2006, 175), so dass es verwundert, dass im Verfahren der PKH-Vergütungsfestsetzung hierüber noch ernsthaft gestritten werden kann.